Kategorie: Beliebt

  • Es reicht anscheinend nur auf Aktien zu setzen, ein Leben lang – und Anleihen sind nicht nötig

    Es reicht anscheinend nur auf Aktien zu setzen, ein Leben lang – und Anleihen sind nicht nötig

    Früher dachte ich, dass es ab dem 40. Lebensjahr sinnvoll wäre, einen kleinen Teil meines Portfolios in Anleihen anzulegen.

    Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob diese Strategie wirklich zu mir passt.

    Ein bekannter Ratschlag für langfristige Anleger besagt, dass wir mit zunehmendem Alter unseren Aktienanteil reduzieren und Anleihen beimischen sollten, oder ob Anleihen überhaupt ins Portfolio gehören. Eine neue Forschungsarbeit kommt zu einem etwas anderen Schluss, zumindest unter bestimmten Voraussetzungen.

    Die traditionelle Empfehlung für langfristige Anleger

    Wenn es um die Portfoliozusammenstellung geht, haben sich verschiedene Theorien und Varianten etabliert, die sich je nach Lebensphase oder Verlauf leicht unterscheiden.

    Die meisten Portfoliovorschläge beinhalten einen Mix aus Aktien und Anleihen. Häufig wird beispielsweise von konservativen oder risikofreudigeren Varianten gesprochen. Das wird dann beispielsweise als „defensives Portfolio“ für Vorsichtige bezeichnet und enthält beispielsweise 25 % Aktien und 75 % Anleihen. Das Gegenstück dazu sind die „offensiven Portfolios“, bei denen es umgekehrt ist: 25 % Anleihen und 75 % Aktien.

    Es gibt auch etablierte Faustregeln, die beispielsweise besagen, dass 100 minus dem Alter den Aktienanteil im Portfolio ergibt. Für 30-Jährige würde es beispielsweise bedeuten, dass 70 % des Portfolios aus Aktien bestehen sollten und 30 % aus Anleihen.

    Eins haben diese Portfoliovorschläge meist gemeinsam: Mit höherem Alter wird der Anleihenanteil erhöht.

    Risiko-Rendite-Verhältnis neu betrachtet: Aktien vs. Anleihen

    Aber warum ist die Aufteilung in Aktien und Anleihen so beliebt in der Vermögensallokation?

    Vereinfacht wird zwischen Risiko-Rendite-Verhältnissen unterschieden.

    Aktien werden beispielsweise als viel risikoreicher betrachtet, da die zugrunde liegenden Schwankungen viel höher sind als bei anderen Anlageklassen. Was wir am Aktienkurs gut verfolgen können und uns auch gut vorstellen können.

    Anleihen dagegen werden meist als weniger risikoreich bzw. risikoärmer angesehen, da wir mit Anleihen historisch weniger starke Schwankungen beobachten konnten.

    Diese Schwankung des Vermögens ist auch die zugrunde liegende Annahme hinter der bliebten Portfolioaufteilung in Aktien und Anleihen. Wir gleichen mit Anleihen im Portfolio, die kurzfristigen Schwankungen der Aktien aus.

    Und mit höherem Alter soll das Portfoliovermögen noch weniger Schanwankungen unterliegen und deshalb der Anleihenanteil immer weiter erhöht werden, was ja durchaus sinnvoll klingt. Wer will schon im hohen Alter, wenn es beispielsweise um den Verzehr des Vermögens in der Rentenphase geht, dass ein Portfolio kurzfristig um 50 % abstürzt?

    Aber fairerweise könnte es uns vielleicht auch egal sein, je nachdem, wie lang unsere Lebenserwartung ist und wie hoch unser Vermögen ist. Plus, was immer gerne unterschlagen wird: Wir müssen ja auch nicht alles zu diesem theoretischen Crash ausgeben, sondern könnten auch die kurzfristigen -50% im Portfolio „aussitzen“.

    Vielleicht sollten wir unser Portfoliorisiko danach ausrichten, ob wir unser erwartetes Gesamtvermögen erreichen können, und vielleicht gar nicht, wie stark unsere Vermögenswerte schwanken?

    Anleihen im Portfolio: Überbewertet oder unverzichtbar?

    Aber was ist jetzt besser für langfristige Anleger? Ein Portfolio aus Aktien und Anleihen, also eine Mischung von verschiedenen Risikoprofilen? Oder sind Anleihen gar nicht nötig?

    Eine neue Arbeit aus den USA kommt zu dem Schluss, dass Anleihen möglicherweise nicht notwendig sind, selbst im fortgeschrittenen Rentenalter. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass international diversifiziert wird.

    Für die Untersuchung wurden verschiedene Anlagestrategien bzw. Vermögensallokationen herangezogen und miteinander verglichen. Von reinen Aktienstrategien bis zu reinen Anleihestrategien, über Zwischenstufen, also ein Mix aus Anleihen und Aktien, und ein Mix aus internationalen und lokalen Aktien.

    Um herauszufinden, was optimal für die Vermögensbildung, die Konsumfähigkeit im hohen Alter und insgesamt das Nettovermögen im hohen Alter ist.

    Dazu haben die Forscher historische Renditedaten ausgewertet und dann simuliert. Das ergab insgesamt mehr als eine Million Renditeszenarien aus nationalen und internationalen Aktien, Unternehmensanleihen und Staatsanleihen – insgesamt 38 Industrieländern im Zeitraum von 1890 bis 2019.

    Diese Datengrundlage wurde als Basis herangezogen, um den Lebensverlauf eines US-amerikanischen Paares zu simulieren. Ein Paar, das mit 25 Jahren beginnt zu sparen und nach 40 Jahren mit 65 in Rente geht. Während der Sparphase wird 10 % des Einkommens gespart und investiert, was zur Vermögensbildung angelegt wird. Während der Rentenphase wird jährlich 4 % vom Vermögensportfolio ausgegeben, wobei zusätzlich noch staatliche Rentenansprüche („Social Security Benefits“) berücksichtigt wurden.

    Simulationsergebnisse: Internationale Diversifikation ist wichtig

    Und jetzt das doch etwas überraschende Ergebnis für US-Anleger: Eine optimale Portfolioaufteilung ergab sich aus 50 % US-Aktien und 50 % internationalen Aktien, also gar keine Anleihen.

    Für Nicht-US-Anleger gab es eine leichte Verbesserung der untersuchten Faktoren einer Portfolioaufteilung von 35 % lokalen Aktien und 65 % internationalen Aktien während der gesamten Lebensphase. Unter lokalen Aktien können im Modell der Autoren Aktien aus der lokalen Währung verstanden werden. Für Anleger aus Europa beispielsweise würde das bedeuten, 35 % Aktien aus dem Euroraum und 65 % internationale Aktien zu halten.

    Langfristige Vermögensbildung ohne Anleihen: Eine realistische Option?

    Und das ist nicht die einzige überraschende Erkenntnis: Selbst ein kleiner Anteil Anleihen im Portfolio bringt keine besseren Ergebnisse in der Simulation. Auch wenn Anleihen zwar weniger stark schwanken als Aktien, hatten Anleihen langfristig ein höheres Verlustrisiko. Und zwar für unsere Kaufkraft. Und auch nach einem Börsencrash erholten sich Anleihen nicht so gut wie Aktien.

    Man könnte also fast sagen, dass Anleihen langfristig in Bezug auf unsere Gesamtrendite riskanter sind als Aktien.

    Was aber nicht heißt, dass Aktien sicherer sind. Auch wenn das alles danach klingt, dass ein reines Aktienportfolio optimal sei.

    Es gibt auch einen Haken. Ein Autor der Studie wurde in einem Bloomberg-Artikel folgendermaßen zitiert: „Solange Aktienanleger in der Lage sind durchzuhalten, sind sie am Ende mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit besser dran als jemand, der versucht, die kurzfristigen Schwankungen mit Anleihen auszugleichen.“

    „In der Lage sein durchzuhalten“, klingt so einfach. Aber dieser psychologische Effekt, die großen Schwankungen durchzustehen, was vor allem im Ruhestand mental wahrscheinlich nicht immer einfach zu verkraften ist, wenn nicht mehr regelmäßige Einkommen die Regel sind.

    Wie viel Schwankung wir ertragen können, ist jedoch höchst individuell und nur schwer messbar. Denn unsere Risikotoleranz hängt unter anderem von unseren bisherigen Erfahrungen ab – also wie viel wir jemals ertragen mussten und wie viel Vermögen wir zu diesem Zeitpunkt hatten.

    Langfristige Renditeperspektiven: Aktien vs. Anleihen

    Nichtsdestotrotz ist es schön zu sehen, dass ein reines Aktienportfolio auch langfristig über eine gesamte Lebensphase gute Resultate erzielen kann. Dennoch, einen Preis müssen wir dafür zahlen: hohe Buchverluste, die zwar nicht realisiert werden müssen, aber häufig dazu führen, dass Anleger schlechtere Renditen erzielen als einfache Indizes.

    Heißt das jetzt also, dass wir unsere Anleihen sofort verkaufen sollten oder besser gar keine kaufen sollten, wenn wir noch keine haben?

    Die Arbeit der Autoren wurde zwar bisher positiv aufgenommen und eingeordnet. Wie repräsentativ die Daten für die Zukunft sind wissen wir nicht.

    Plus: Nicht jeder möchte mit regelmäßig hohen Verlusten leben, sondern lieber „nachts besser schlafen können“ und dafür ein bisschen weniger Vermögen aufbauen. Was ja vollkommen okay ist.

    Die Jagd nach jedem Prozentpunkt Rendite wird manchmal ein bisschen übertrieben und zu sehr auf die Spitze getrieben.

    Aber selbst wer dann eine der gezeigten Strategien mit Anleihen verfolgt und vielleicht auch im Alter den Anleihenanteil erhöhen möchte, muss auch daran denken, diesen in regelmäßigen Abständen zu erhöhen. Und das ist mit einer einfachen Aktienstrategie weniger nötig.

    Neue Perspektiven für die Vermögensallokation: Aktien, Anleihen und individuelle Risikotoleranz

    Was sollten Anleger aus den neuen Erkenntnissen für die eigene Vermögensaufteilung mitnehmen?

    Ich glaube, für Anleger, die einen lebenslangen Anlagehorizont haben, ist es wichtig zu verstehen, dass die Portfolio-Schwankung nicht die einzige Risikokennzahl sein muss.

    Aber bei risikoreicheren Anlagen, und dazu zählen auch Aktien, müssen wir große Verluste hinnehmen können, auch wenn es nur Buchverluste sind.

    Schlussendlich sollten wir uns mit unserem Portfolio wohlfühlen, ob mit oder ohne Anleihen. Auch wenn wir nie sicher wissen, wie das Ergebnis in der Zukunft aussehen wird.


    Anmerkungen & Quellen


    Daten und Informationen, Stand: 08.02.2024

    Titelbild: Brandi Redd auf Unsplash

    Das Investement (2017): Erster Robo-Advisor macht Lebenszyklusfonds Konkurrenz.

    comdirect Magazin (2022): Geldanlage: Was ist eine Asset Allocation?

    Money Group (2018): This is How Much Money You Should Have in Stocks — at Every Age.

    Anarkulova, A., Cederburg, S., & O’Doherty, M. S. (2023). Beyond the Status Quo: A Critical Assessment of Lifecycle Investment Advice. Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4590406

    Rational Reminder (2023): Episode 284: Prof. Scott Cederburg: Challenging the Status Quo on Lifecycle Asset Allocation.

    Bloomberg, Lu Wang (2023): You’re Better Off Going All In on Stocks Than Bonds, New Research Finds.

    Dalbar’s Quantitative Analysis of Investor Behavior report (QAIB).

    Rational Reminder Podcast (2023): Episode 281. https://rationalreminder.ca/podcast/281

    Rational Reminder Podcast (2023): Episode 284. https://rationalreminder.ca/podcast/284

  • Warum wir Prognosen an der Börse ignorieren sollten

    Warum wir Prognosen an der Börse ignorieren sollten

    Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir nicht ständig in unser Portfolio schauen sollten.

    Unter dem Jahr interessiert mich die Performance nicht. Ich kann und möchte sowieso nichts ändern. Aber einmal im Jahr schaue ich mir an, wie alles lief. Was haben die großen Indizes gemacht? Wie war die Performance im Vergleich zu den Vorjahren? Und was berichten die großen Finanzhäuser über das kommende Jahr bzw. was erwarten sie?

    Stimmt meine Annahme bzw. mein vorhandenes Verständnis, dass Prognosen sowieso nichts bringen?

    Rückblick 2023: ETF-Zuflüsse und Indexp​erformance

    Im Jahr 2023 gab es sehr viel Positives, zum Beispiel für ETF-Anbieter.

    Die Entwicklung der Zuflüsse in Aktienfonds und ETFs von Januar bis November war ermutigend. Monatlich gab es mehr Zuflüsse als Abflüsse in Aktien-ETFs, während bei den aktiven Aktienfonds bis auf Januar und Februar durchweg Abflüsse zu verzeichnen waren. Es floss also mehr Geld in ETFs als in aktive Aktienfonds, auch im Jahr 2023. Auch für uns Anleger gab es viel Positives. Wenn wir uns beispielsweise die Performance der großen Indizes anschauen, haben globale Indizes wie der All Country World Index, der FTSE All-World oder der MSCI World fast eine Rendite von 20 % im Jahr 2023 erreicht. Auch der S&P 500 oder der Stoxx Europe 600 waren deutlich überdurchschnittlich.

    Aber wichtig ist zu beachten, dass diese Renditekennzahlen sich nur auf den Index beziehen, nicht den ETF.

    Der ETF kann und wird normalerweise davon abweichen. Zumindest gibt es den Nachbildungsfehler, der sowohl positiv als auch negativ sein kann, und die Kosten, die sich für gewöhnlich negativ auf unsere Rendite auswirkt.

    Für Privatanleger, die im Jahr 2023 investiert waren, lief das Jahr auch überdurchschnittlich gut, besonders im Vergleich zu den Vorjahren.

    Wenn wir uns beispielsweise den Vergleich des MSCI World anschauen, sehen wir deutlich, dass das Jahr 2023 besonders gut war. Die durchschnittliche Rendite des MSCI World Net Return Index lag nur bei 9 %. Wenn wir das letzte Jahr bei fast 20 % waren, waren wir fast 10 % Punkte über dem Durchschnitt. Und wenn wir uns weltweit länderspezifische Renditen anschauen, sah es auch ziemlich gut aus, vor allem in den großen Industrieländern. Aber es gab auch Ausnahmen, negative Ausreißer, beispielsweise in China, Hongkong, Thailand und auch Finnland.

    Vergleich mit den Profis und Prognosen für 2024

    Im Vergleich dazu, wie haben Hedgefonds beispielsweise letztes Jahr abgeschnitten?

    Die Mehrzahl der Hedgefonds hat 2023 nicht die großen Indizes übertroffen. Auch bei den aktiven Fonds sah es 2023 ähnlich aus.

    Zum Vergleich ist es vielleicht ganz schön zu sehen, dass es mit einfachen Produkten möglich ist, gute Renditen zu erreichen.

    Bezüglich der Prognosen für 2024 veröffentlichen Finanzhäuser immer um die Jahreswende ihre sogenannten Marktausblicke, also Vorhersagen und Prognosen über die nächsten 12 Monate. Und diese Prognosen oder Ausblicke werden dann gerne auch von Journalisten und Medienhäusern aufgegriffen und in Artikeln veröffentlicht.

    Und das wiederholt sich jährlich, obwohl doch eigentlich alle wissen, dass Prognosen nicht mehr als ein Schuss ins Blaue sind.

    Oder warum sollten wir diese Prognosen besser vollständig ignorieren oder zumindest vorsichtig sein, wenn solche zitiert werden oder Aussagen darüber getroffen werden?

    Auch wenn es manchmal so verlockend sein kann.

    Die nicht informierten Anleger haben wahrscheinlich eher das Nachsehen, wenn zu viel auf diese Prognosen gegeben wird. Für 2024 haben alle großen Häuser ihre Marktausblicke wieder veröffentlicht.

    Wie so ein Marktausblick aussieht, sehen wir hier am Beispiel von Goldman Sachs. Es werden verschiedene Faktoren prognostiziert, also eine Vielzahl ökonomischer Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt, die Arbeitslosigkeit, die Inflation, aber auch die Rendite von bestimmten Anlageklassen, also von Anleihen, Rohstoffen, Währungsschwankungen. Auch für spezifische Aktienmärkte werden sogenannte Punktprognosen erstellt, quantitative Aussagen über einen Wert in der Zukunft. Also beispielsweise, dass ein bestimmter Index wie der MSCI World zu einem bestimmten Zeitpunkt (bspw. Ende 2024) oder in einem bestimmten Zeitraum (bspw. in 12 Monaten), einen bestimmten Wert erreichen wird.

    Wenn wir uns die Prognosen für das letzte Jahr 2023 anschauen, also eine Art einfaches Backtesting machen. In der Abbildung die Prognosen für 2023 verschiedener Wall-Street-Banken und im Vergleich die tatsächliche Performance 2023 für den S&P 500.

    Ende 2022 stand der S&P 500 bei rund 3900 Punkten und Ende 2023 bei rund 4780 Punkten, also eine Entwicklung von mehr als 20 %. Und jetzt die Prognosen der Wall-Street-Banken zum Vergleich. Keine der gezeigten Banken hat das tatsächliche Level prognostizieren können.

    Das tatsächliche Jahresendlevel lag durchschnittlich 20 % höher als von den Banken prognostiziert wurde.

    Klar, man könnte sagen, 2023 war vielleicht ein Ausreißerjahr, denn 2022 haben die Aktienmärkte fast durchweg größere Verluste hinnehmen müssen.

    Tatsächlich sah es aber auch die Jahre zuvor nicht wirklich besser aus. Wenn wir uns hier noch als Beispiel die S&P 500 Prognosen der Banken vom Jahr 2000 bis 2014 anschauen, also rund 15 Jahre Vergleich Prognose versus tatsächliche Performance zum Ende eines Jahres.

    Wir sehen auf den ersten Blick, dass die Prognosen zumindest durchschnittlich deutlich danebenlagen.

    Und ganz konkret in Zahlen: Durchschnittlich lagen die Bankenprognosen 14 Prozentpunkte daneben über 15 Jahre. Auch wenn wir das Jahr 2008 herausrechnen, was ja gerne als unvorhergesehenes Ereignis gesehen wird, ist das Ergebnis, dass die Banken mit ihren Prognosen noch 12 Prozentpunkte danebenlagen.

    Wie verlässlich sind Prognosen? Fazit und Ausblick

    Die Wissenschaft hat auch schon untersucht, ob Prognosen funktionieren – also wir uns darauf verlassen können oder besser ignorieren sollten.

    Die Kurzversion dessen, was die Autoren herausfanden, lautet: Keine der professionellen Prognosen war genauer als eine einfache Vorhersage aus dem Durchschnitt der Vergangenheit.

    Experten, die sich also beruflich mit Prognosen oder den Finanzen ihres Arbeitgebers beschäftigen, schaffen es nicht, eine einfache und fast schon naive Durchschnittsrendite, die aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert wird, zu schlagen. Warum also sollten wir uns auf Börsenprognosen verlassen?

    Auch für das kommende Jahr bleibt eine Unbekannte an der Börse. Denn aus der jetzigen Perspektive ist es uns völlig unbekannt, wie die Stimmung in 12 Monaten sein wird. Egal, was wir heute messen und als Prognose oder Outlook veröffentlichen, in einem Jahr haben wir es oder können wir es wahrscheinlich wieder vergessen.

    Deshalb haben die Prognoseexperten vielleicht auch so eine schlechte Bilanz, vielleicht auch zurecht.

    Für mich persönlich soll für 2024 alles gleich bleiben – hoffentlich auch noch darüber hinaus: Einfach weiter dauerhaft und regelmäßig in breit diversifizierte und liquide Vermögenswerte investieren, kaufen und liegen lassen. Ganz einfach.

    Und dann schaue ich in 12 Monaten wieder, wie sich die Märkte entwickelt haben und auch, welche Prognosen für das nächste Jahr dann wieder erstellt werden.

    Vielleicht gibt es ja dieses Mal sogar positive Überraschungen.


    Anmerkungen & Quellen


    Daten und Informationen, Stand: 18.01.2024

    Titelbild: Chris Liverani auf Unsplash

  • Index-Unterschiede erklärt – Kurs, Preis, Performance, NR, TR, …?

    Index-Unterschiede erklärt – Kurs, Preis, Performance, NR, TR, …?

    Bezeichnungen von Aktienindizes unterscheiden sich teilweise je nach Anbieter. Wobei sich die Unterschiede typischerweise auf drei Referenzindizes reduzieren – meist bezeichnet als „Kursindex“, „Total Return“ und „Net (Total) Return“ Index. Aber was unterscheidet die verschiedenen Indizes?

    Was ist ein Kursindex oder Preisindex (Price Return, PR) – Aktienkurs ohne Gewinnausschüttungen

    Ein Kursindex (manchmal auch Preis­index bzw. Price Index genannt) berücksichtigt ausschließlich die Kurse (Aktienpreis) der zugrundeliegenden Wertpapiere des Index. Weitere Renditebestandteile von Aktien, wie Gewinnausschüttungen (bspw. regelmäßige Dividenden), werden bei dieser Art von Indexberechnung nicht reflektiert. Einige Anbieter, Portale oder Emittenten kürzen Kursindizes auch mit „PR“ ab.

    Total Return-Index (TR) – inklusive mit Dividenden

    Ein Total Return Index (Gross Return, Performance­index oder kurz TR) ist ein Aktienindex, der beides – Kursveränderungen und Gewinnausschüttungen – berücksichtigt und unterstellt, dass die Ausschüttungen wieder reinvestiert werden. Und zwar Brutto, also ohne Berücksichtigung von etwaigen Steuern oder anderen Abgaben, die in der Praxis für uns noch anfallen.

    MSCI1 und FTSE2 – zwei große Indexanbieter – unterscheiden zwischen „Price“ und „Total Return“ Index – wobei Total Return nochmals zwischen „Gross“ und „Net“ unterschieden wird – also mit und ohne Berücksichtigung von Steuern.

    Net Total Return-Index – mit Dividenden inklusive Steuern

    Der Net Return Index (oder auch: Net Total Return, Total Return Net oder kurz NTR) berücksichtigt die Kursentwicklungen und Dividenden abzüglich etwaiger (Quellen-)Steuern, die Fonds auf die Titel im Index abführen müssen. Die meisten ETFs verwenden die NTR-Variante als Referenzindex und diese entspricht auch am ehesten der tatsächlich möglichen Renditen von Anlegern in Deutschland – ohne Berücksichtigung etwaiger Kosten des Fonds und auch unsere individuellen Transaktionskosten für den Kauf von Anteilen eines Fonds.


    Anmerkungen & Quellen

    Daten und Informationen, Stand: 07.07.2023

    Titelbild: Nicholas Cappello auf Unsplash

    1MSCI (2023): MSCI Index Calculation Methodology. März 2023.
    https://www.msci.com/eqb/methodology/meth_docs/MSCI_IndexCalcMethodology_Mar2023.pdf

    2FTSE (2022): Guide to Calculation FTSE Global Equity Index Series v3.4 Oktober 2022.
    https://research.ftserussell.com/products/downloads/FTSE_Global_Equity_Index_Series_Guide_to_Calc.pdf

  • Was bedeuten die SFDR-Nachhaltigkeits-Kategorien bei Fonds?

    Was bedeuten die SFDR-Nachhaltigkeits-Kategorien bei Fonds?

    Seit 10. März 2021 ist die EU-Verordnung über „Nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“ (SFDR)[1] in Kraft getreten. Die SFDR verpflichtet Fondsgesellschaften – also die Emittenten von Fonds – Nachhaltigkeitskriterien (auch ESG-Kriterien) offenzulegen, damit wir Verbraucher zukünftig unterscheiden können, ob oder wie „nachhaltig“ ein Finanzprodukt ist (bzw. scheint?).

    Aber was bedeuten die s.g. SFDR-Kategorien „Artikel 6“, „Artikel 8“ und „Artikel 9“ und was unterscheidet diese?

    1. Was ist die Offenlegungsverordnung (SFDR)

    Die Sustainable Finance Disclosures Regulation (SFDR) wurde am 27. November 2019 veröffentlicht und ist am 10. März 2021 in Kraft getreten und ist unter anderem Teil der „Sustainable Finance“ Initiative der Europäischen Kommission. Im deutschsprachigen Raum wird diese Verordnung (engl. Regulation) oftmals auch EU-Offenlegungsverordnung genannt. Gemeint ist damit die Verordnung (EU) 2019/2088 (Link unten im Quellenverzeichnis), welche, wie der Name impliziert, diverse Transparenzanforderungen und Offenlegungspflichten zu nachhaltigen Finanzprodukten beinhaltet.

    Neben der Offenlegungsverordnung gibt es zusätzlich noch die Verordnung (EU) 2020/852 (oft auch kurz: Taxonomie-Verordnung)[2], welche zusätzliche Änderungen bzw. detailliertere Informationen zur SFDR beinhaltet. Die Taxonomie-Verordnung wurde am 18. Juni 2020 veröffentlicht und bestimmte Teile davon treten ab dem 1. Januar 2022 bzw. 1. Januar 2023 in Kraft.

    Wen betrifft die SFDR?

    Betroffen von den Anforderungen aus der SFDR sind vor allem s.g. „Finanzmarktteilnehmer“ zu (siehe Art. 2, VO (EU) 2019/2088) – dazu zählen unter anderem Versicherungsunternehmen, Wertpapierfirmen, Kreditinstitute (z.B. Banken) und auch die Kapitalverwaltungsgesellschaften (z.B. die Emittenten von Fonds und ETFs).

    Wie ist die rechtliche Situation einer EU-Verordnung wie die SFDR?

    Eine s.g. Regulation bzw. Verordnung wie die SFDR, welche im Amtsblatt der Europäischen Union als Rechtsvorschrift veröffentlicht wird, „ist ein verbindlicher Rechtsakt, den alle EU-Länder in vollem Umfang umsetzen müssen“[3]. Das bedeutet: Die festgelegten Vorschriften gelten auch ohne nationales (bspw. Deutsches) Gesetz.

    Im Gegensatz dazu gibt es noch s.g. „Richtlinien“, welche von den einzelnen Ländern der EU als eigene Rechtsvorschrift umgesetzt werden – also nicht unmittelbar und verbindlich in jedem Mitgliedstaat gelten.

    2. SFDR-Kategorie / -Klassifizierung

    Eine für uns Verbraucher wichtige SFDR-Anforderung an Finanzinstitute, die in der EU Finanzprodukte anbieten, ist die Pflicht zur Klassifizierung bestimmter Finanzprodukte in „Nachhaltigkeitskategorien“ (SFDR-Kategorien) – beispielsweise für Fonds (und dazu zählen auch ETFs).

    Diese Kennzeichnung erfolgt entweder auf den Websites der Fondsanbieter oder auch im Fondsprospekt (teilweise auch im Factsheet) zum jeweiligen Produkt.

    Grundsätzlich wird zwischen drei SFDR-Kategorien unterschieden:

    1. Artikel 6
    2. Artikel 8
    3. Artikel 9

    Vereinfachte Erklärung der SFDR-Kategorien gemäß VO (EU) 2019/2088 (Eigene Darstellung)

    Artikel 6 – alle traditionellen Finanzprodukte

    Gemäß Artikel 6 der SFDR müssen alle Fonds Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen, also „nachhaltige“ und „nicht-nachhaltige“ Fonds. Wenn Fonds nach „Artikel 6“ klassifiziert wurden, bedeutet das, dass diese keine oder nur in geringem Umfang Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen und nicht unter die anderen zwei Kategorien „Artikel 8“ oder „Artikel 9“ fallen.

    Artikel 8 – die hellgrünen oder ESG-Produkte

    Fonds, die nach „Artikel 8“ eingestuft werden, sind Finanzprodukte, die „unter anderem ökologische oder soziale Merkmale oder eine Kombination aus diesen Merkmalen“[1] bewerben. Vereinfacht ausgedrückt, Finanzprodukte, die Nachhaltigkeitsmerkmale aufweisen bzw. mit diesen beworben werden. Häufig werden diese auch als „hellgrün“ oder auch als „ESG-Produkte“ bezeichnet.

    Artikel 9 – die dunkelgrünen oder Impact-Produkte

    Fonds, klassifiziert nach „Artikel 9“, sind Finanzprodukte, mit denen ‚eine nachhaltige Investition angestrebt‘ wird. Etabliert hat sich unter anderem die vereinfachte Erklärung, dass eine Nachhaltigkeitswirkung angestrebt oder ein explizites Nachhaltigkeitsziel verfolgt wird. Im Fachjargon häufig auch als „dunkelgrün“ oder teilweise „Impact-Fonds“ bezeichnet.

    3. (Noch) fehlt eine einheitliche Begriffsdefinition

    Leider hat sich bisher noch kein einheitlicher Begriff für die drei Kategorien in der Praxis etabliert. Viele Fondsanbieter verwenden (noch?) unterschiedliche Begrifflichkeiten für die gleiche regulatorische Anforderung nach SFDR (siehe dazu auch die unten stehende Tabelle).

    Darüber hinaus unterscheidet sich die Darstellung bzw. Offenlegung teilweise erheblich: Einige Anbieter nutzen Fußnoten und verweisen in Prosa auf die SFDR inklusive der jeweiligen Klassifizierung in den Fondsprospekten oder auf der Webseite (bzw. eine Kombination). Andere Anbieter verweisen eher prominent in den Eckdaten bzw. in einer tabellarischen Übersicht auf die jeweilige Kategorie.

    Emittent / FondsgesellschaftBegriff für die SFDR Klassifizierung nach VO (EU) 2019/2088 in Prospekten oder Website
    AmundiNachhaltigkeitskategorie
    BNP ParibasSFDR article
    Credit SuisseKeine Angabe in Fondsprospekt*
    DEKAKeine Angabe in Fondsprospekt*
    DWSProduktklassifizierung gemäß Verordnung (EU) 2019/2088
    HSBCKeine Angabe in Fondsprospekt*
    iShares / BlackrockSFDR-Klassifizierung
    LyxorKeine Angabe in Fondsprospekt*
    UBSIn Fußnote beschrieben.
    VanguardIn Fußnote als „EU-SFDR“-Einstufung beschrieben.
    Unterschiedliche Begriffe für die Klassifizierung nach Artikel 6, 8 und 9 der SFDR (Eigene Recherche, Stand: Juni 2021). *Basierend auf eigenen Recherchen zu einzelnen Stichproben verschiedener Aktien-Fonds.

    Fazit

    Seit März 2021 finden wir Verbraucher bei Fonds (z. B. ETFs) Hinweise zur Nachhaltigkeit des Finanzprodukts in Form von drei möglichen Ausprägungen: „Artikel 6“, „Artikel 8“ und „Artikel 9“. Meist sind diese auf den Websites der Anbieter oder in den Fondsprospekten bzw. Factsheets aufgeführt. Im Banken-Jargon sind häufig auch die Bezeichnungen „hellgrün“ (für Artikel 8 Fonds) und „dunkelgrün“ (für Artikel 9 Fonds) vorzufinden.

    Auch wenn Verbrauchern mit Interesse für nachhaltige Finanzprodukte die Auswahl bzw. Vergleichbarkeit etwas erleichtert wird, ob bzw. wie „nachhaltig“ ein Finanzprodukt ist, gibt es aktuell (Juni 2021) noch keine einheitliche Bezeichnung für die Klassifizierung der „Nachhaltigkeit“. Einige Fondsgesellschaften verwenden den Begriff „SFDR Klassifizierung“ andere „SFDR Kategorie“ und teilweise gibt es auch exotischere Bezeichnungen wie „Produktklassifizierung gemäß Verordnung (EU) 2019/2088“.

    Hoffentlich wird sich zukünftig ein einheitlicher Begriff für diese Art von Klassifizierung durchsetzen, damit wir Verbraucher bei den verschiedenen Anbietern einfacher die jeweilige Kategorie erkennen können.

    Anmerkungen & Quellen

    Titelbild: Markus Spiske (Unsplash)

    [1] Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.
    https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2019/2088/oj

    [2] Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088.
    https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2020/852/oj

    [3] Europäische Union: Verordnungen, Richtlinien udn sonstige Rechtsakte.
    https://europa.eu/european-union/law/legal-acts_de

  • MSCI World SRI Indexvergleich | Die nachhaltigsten globalen ETFs

    MSCI World SRI Indexvergleich | Die nachhaltigsten globalen ETFs

    Wer mit Indexfonds bzw. ETFs langfristig investieren möchte und dazu noch nachhaltige Kriterien verfolgt, landet früher oder später wohl auch bei der SRI-Indexfamilie von MSCI – die strengste Nachhaltigkeitskriterien anstrebt.

    In diesem Artikel haben wir versucht folgenden Fragen nachzugehen:

    1. Warum überhaupt der MSCI World SRI Index?
    2. Wie funktioniert die Index-Zusammenstellung der MSCI SRI Indexfamilie?
    3. Welcher MSCI World SRI Index wird von welchem ETF-Anbieter verwendet?
    4. Was unterscheidet die vier verschiedenen MSCI World SRI Indizes im Detail?
    5. Welcher MSCI SRI Index passt zu welchem Nachhaltigkeitsanspruch?

    1. Warum überhaupt der MSCI World SRI Index?

    Wer interessiert an nachhaltigen Alternativen zum MSCI World Index als Referenz für ETFs ist, stößt früher oder später wahrscheinlich auch auf die nachhaltigen Indizes von MSCI.

    Im Kontext nachhaltiger Index-Investitionen führt MSCI „ESG Indexes“[3] als eigene Produktpalette.

    Wer sich auf nachhaltige Aktien-ETFs fokussiert, wird auf den gängigen Suchplattformen im deutschsprachigen Raum (wie justetf.com und extraETF.com) vor allem mit Aktien-ETFs mit dem Zusatz ESG und SRI konfrontiert.

    Im Vergleich zu den jeweiligen Elternindizes (wie beispielsweise der MSCI World Index) werden bei den nachhaltigen Ablegern (bspw. MSCI World ESG Screened Index oder MSCI World SRI Index) Unternehmen ausgeschlossen bzw. nicht mit in den nachhaltigen Index aufgenommen, welche den jeweiligen Nachhaltigkeitskriterien nicht entsprechen.

    Die strengsten Nachhaltigkeitskriterien, welche auch den MSCI World Index als Elternindex abbilden, werden aktuell durch die sogenannten „SRI-Indizes“[4] repräsentiert.

    2. Wie funktioniert die Index-Zusammenstellung der MSCI SRI Indexfamilie?

    Die Abkürzung bzw. Akronym SRI steht bei MSCI für „Socially Responsible Investing“ (Deutsch: Sozial verantwortliches Investieren)[4]. Wichtig zu verstehen ist, dass der Begriff SRI oder Socially Responsible Investing häufig auch unterschiedlich verstanden und verwendet wird. In diesem Artikel geht es ausschließlich um die SRI Indizes von MSCI!

    Indizes mit dem Zusatz SRI fokussieren sich laut MSCI vor allem auf Unternehmen mit besonders hohen ESG-Ratings und schließen gleichzeitig Unternehmen aus, die durch negative soziale oder ökologische Einflüsse auffallen[5].

    SRI Nachhaltigkeitsansatz – in zwei Stufen und vier Kriterien zum nachhaltigen Index

    Grundsätzlich gilt für alle von MSCI mit dem Zusatz SRI geführten Indizes das gleiche Prinzip:

    Durch zwei Filterstufen werden vom Elternindex der nachhaltige Ableger (siehe dazu auch die unten aufgeführte vereinfachte schematische Darstellung).

    1. Im ersten Schritt werden drei separate Filter- bzw. Ausschluss-Kriterien angewendet, die alle erfüllt werden müssen, damit ein Unternehmen für die zweite Stufe in Betracht gezogen werden.
    2. Der zweite Schritt werden die übrig gebliebenen Unternehmen nach Sektor gruppiert und nach ESG-Rating sortiert und davon die besten ESG-Unternehmen ausgewählt, bis 25 % der Marktkapitalisierung des Elternindex erreicht ist (der s.g. Best-in-Class-Ansatz der SRI Indexpalette).

    Schematische Darstellung der MSCI SRI Index Zusammenstellung (Eigene Darstellung)

    Elternindex – die berechtigten Unternehmen für die SRI Variante

    Als Basis für die nachhaltigen SRI-Varianten werden alle Unternehmen aus dem jeweils geeigneten Elternindex in Betracht gezogen. In unserem Beispiel der „MSCI World SRI“ Variante, werden alle rund 1600 Unternehmen aus dem Elternindex „MSCI World“ für die Filter-Stufen ausgewählt.

    Ausschlussprinzip

    MSCI verwendet eigenes Research, um die Unternehmen bzw. deren Tätigkeiten und Aktivitäten zu klassifizieren. Im Ausschlussprinzip wird das MSCI ESG Business Involvement Screening Research (BISR)[8] genutzt, um Unternehmen zu identifizieren, welche in bestimmte Aktivitäten involviert sind.

    Unternehmen, die in folgenden Geschäftsaktivitäten involviert sind bzw. bestimmte Umsatzgrenzen und weitere Kriterien erreichen, werden ausgeschlossen (mehr Details dazu in der Vergleichstabelle unten):

    • Kontroverse Waffen
    • Zivile Schusswaffen
    • Nukleare Waffen
    • Tabak
    • Alkohol
    • Erwachsenenunterhaltung
    • Konventionelle Waffen
    • Glücksspiel
    • Genetisch modifizierte Organismen
    • Nukleare Energie
    • Fossile Energie (Kohle, Öl und Gas)

    MSCI ESG Rating

    Zur Bewertung der ESG Ratings der Unternehmen verwendet MSCI ebenfalls eigene MSCI ESG Ratings. Unternehmen benötigen ein MSCI ESG Rating von „A“ oder höher, um für den SRI Index aufgenommen zu werden.

    MSCI ESG Kontroversen Score

    Und zuletzt gibt es einen Filter der auf dem s.g. ESG Kontroversen-Score basiert und nur Unternehmen mit einem Kontroversen-Score von 4 oder höher berücksichtigt. Dieser Filter prüft beispielsweise ob Unternehmen gegen internationale Abkommen verstoßen, wie die Erklärung der Menschenrechte der UN und Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation zum Schutz der Rechte in der Arbeitswelt.

    Best-in-Class-Prinzip

    Vereinfacht ausgedrückt, werden die Unternehmen nach Sektor gruppiert und entsprechend der MSCI ESG Ratings sortiert, um dann davon die Unternehmen auszuwählen, bis 25 % der Streubesitz-Marktkapitalisierung des Elternindex je Sektor erreicht ist.

    Oder anders ausgedrückt, für jeden Sektor werden die 25 % besten ESG-Rating-Unternehmen nach „Marktkapitalisierung“ für den Index ausgewählt, und so wird auch in der SRI-Variante eine ähnliche Sektor-Diversifikation wie der Eltern-Index beibehalten.

    Schlussendlich bleiben vom Elternindex „MSCI World“ rund 21 % der Unternehmen in den SRI-Varianten bzw. Ablegern übrig und bilden die MSCI World SRI Indizes.

    Mehr Details und Informationen wie die Index-Zusammenstellung im Detail abläuft, ist in den einzelnen „Methoden-Broschüren“ von MSCI beschrieben – siehe dazu auch [5].

    3. ETF-Anbieter verwenden unterschiedliche MSCI World SRI Indizes

    Wer auf der Suche nach passenden ETFs basierend auf den MSCI SRI Nachhaltigkeitsprinzipien ist, wird schnell feststellen, dass es nicht mehr den MSCI World SRI Index als Referenz für ETFs gibt, sondern ausschließlich verschiedene Ableger bzw. Varianten davon.

    Kein ETF-Anbieter nutzt den MSCI World SRI Index als Referenz, sondern jeder Emittent nutzt verschiedene SRI Indizes.

    Auf den gängigen ETF-Suchseiten wie die von justETF[2] oder extraETF.com können wir aktuell mehrere Aktien-ETFs von verschiedenen Anbietern bzw. Emittenten finden, welche auf dem MSCI SRI Ansatz basieren (siehe dazu auch unten aufgeführte Abbildung).

    Aktien-ETFs basierend auf der MSCI World SRI Indexfamilie

    Aktuell werden vier verschiedene Referenzindizes mit dem Zusatz „SRI“ von den jeweiligen ETF-Emittenten verwendet, jedoch verwendet aktuell kein Anbieter mehr den originären MSCI World SRI Index als Referenz:

    1. iShares ETFs: MSCI World SRI Select Reduced Fossil Fuel Index
    2. Amundi ETFs: MSCI World SRI Filtered ex Fossil Fuels Index
    3. BNP Paribas ETFs: MSCI World SRI S-Series 5% Capped Index
    4. UBS ETFs: MSCI World SRI Low Carbon Select 5% Issuer Capped Index

    Die verwendeten Referenzindizes basieren auf eigenen sogenannten „Methodology Books“ (Methoden-Broschüre) von MSCI, welche die übergeordneten Regeln und Prinzipien der jeweiligen Indexfamilie beschreiben[5]. Nachfolgend sind die übergeordneten Index-Methoden zu den Referenzindizes der verfügbaren ETFs zugeordnet:

    EMITTENTMSCI World ReferenzindexMSCI SRI Index (Link zur MSCI Methode)
    iShares (Blackrock)MSCI World SRI Select Reduced Fossil Fuel IndexMSCI SRI Select Reduced Fossil Fuel Indexes
    AmundiMSCI World SRI Filtered ex Fossil Fuels IndexMSCI SRI Filtered ex Fossil Fuels Indexes
    BNP ParibasMSCI World SRI S-Series 5% Capped IndexMSCI S-Series Indexes
    UBSMSCI World SRI Low Carbon Select 5% Issuer Capped IndexMSCI SRI Low Carbon Select Indexes
    Zuordnung der Referenzindizes verschiedenen ETF-Emittenten zu den übergeordneten MSCI SRI Index-Methoden

    4. MSCI World SRI Indizes im Vergleich

    Wir haben uns die vier SRI Indizes im Detail angesehen und dazu die jeweiligen vier Index-Broschüren von MSCI analysiert, welche die detaillierten Methoden der Indizes beschreiben.

    In der unten stehenden Abbildung ist die vereinfachte Zusammenfassung der jeweiligen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der unterschiedlichen SRI Indizes aufgeführt, welche den MSCI World als Elternindex nutzen. Die Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf den MSCI World als Elternindex und nicht auf andere Elternindizes, welche ebenfalls die vier SRI Indizes als Basis nutzen können.

    Wesentliche Unterschiede unterschiedlicher MSCI World SRI Indizes im Detail (Eigene Darstellung basierend auf [5] und [6])

    Gemeinsamkeiten

    Die vier Indizes haben bei einigen Kriterien zur Auswahl geeigneter Titel die gleichen Prinzipien:

    Nachhaltigkeitsansatz

    Alle vier Indizes gehören zur SRI-Familie und verfolgen grundsätzlich den gleichen „Nachhaltigkeitsansatz“ wie bereits oben beschrieben. Zum einen den wertebasierten Ausschluss und zum anderen werden nur Unternehmen mit hohen MSCI ESG Ratings ausgewählt sowie auf Kontroversen geprüft. Und im letzten Schritt der s.g. Best-in-Class-Ansatz, die Auswahl der 25 % besten Unternehmen je Sektor nach ESG Rating.

    MSCI ESG Ratings

    Wie bereits oben beschrieben, verfolgen alle vier Indizes den gleichen Ansatz und nutzen die MSCI ESG Ratings, um die jeweiligen ESG Scores der einzelnen Unternehmen für den Index zu identifizieren. Unternehmen benötigen ein MSCI ESG Rating von „A“ oder höher, um für die Index-Aufnahme berechtigt zu sein.

    MSCI ESG Kontroversen Score

    Gleiches gilt beim MSCI ESG Kontroversen Score. Unternehmen benötigen ein MSCI ESG Kontroversen Score von „4“ oder höher, um für die Aufnahme berechtigt zu sein.

    Ausschlussprinzip

    Unternehmen, die Aktivitäten mit bestimmten von MSCI ESG Research bewerteten erfüllen, werden von allen vier Indizes ausgeschlossen. Dazu gehören folgende werte- bzw. Klima-basierte Kriterien:

    • Kontroverse Waffen (alle Unternehmen mit einer Verbindung zu kontroverser Rüstung gemäß der MSCI Global Ex-Controversial Weapons Indexes[7] Methode werden ausgeschlossen)
    • Zivile Schusswaffen (alle Unternehmen als „Hersteller“ klassifiziert werden ausgeschlossen. Ausnahme: Lieferanten für Militär, Regierung oder Strafverfolgung.)
    • Nukleare Waffen
    • Tabak
    • Alkohol
    • Erwachsenenunterhaltung
    • Konventionelle Waffen
    • Glücksspiel
    • Genetisch modifizierte Organismen
    • Nukleare Energie

    Unterschiede

    Interessant wird es in der Energiebranche, dort gibt es wesentliche Unterschiede.

    Bei Atomkraft beispielsweise ist die Select-Serie am wenigsten strikt, dort fallen Unternehmen raus, die mehr als 15 % Gesamtumsatz aus Kernenergie-Aktivitäten generieren. Die Filtered ex Fossil Fuels und S-Serie haben die Schwelle bei 5 %. Und besonders strikt ist die Low Carbon Select Serie, alle Unternehmen die überhaupt Umsätze aus der Stromerzeugung oder Betrieb von Atomenergie generieren, fallen raus.

    Bei Fossilen Energieträger gibt es die größten Unterschiede zwischen den verschiedenen SRI Indizes.

    Die Select Serie von MSCI ist am wenigsten streng, wenn es um Kraftwerkskohle-Energie geht und erlaubt maximal 5 Prozent der Umsätze aus dem Abbau von Kraftwerkskohle. Bei den anderen Indizes dagegen wird kein Umsatz aus dem Abbau von Kohle geduldet.

    Bei der Stromerzeugung mit Kohle sind nur die S-Serie und der Low Carbon Select Index radikal und erlauben keinen Umsatz aus der Stromerzeugung.

    5. MSCI World SRI Index bietet strengste Nachhaltigkeitskriterien bei „ähnlicher“ Diversifikation und Rendite wie der des Elternindex‘

    Zusammengefasst sind alle vier SRI Indizes ähnlich aufgebaut und verfolgen den gleichen strengen Nachhaltigkeitsansatz mit minimalen Unterschieden bei den wertebasierten Ausschluss-Kriterien, vor allem im Bereich fossiler Energie.

    Wer mehr Fokus auf CO2-Neutrale Unternehmen legt, ist wahrscheinlich mit dem „MSCI SRI Low Carbon Select Index“ bzw. „MSCI SRI S-Series Index“ am besten aufgehoben, da dort wenig Kompromisse bei Fossilen Energieträger gemacht werden.

    Die „MSCI SRI Select Reduced Fossil Fuels“ und „MSCI SRI Filtered ex Fossil Fuels“ Serie sind sehr ähnlich, und unterscheiden sich nur minimal bei einzelnen Filterkriterien bei den fossilen Energieträgern. Die Select Serie ist zudem etwas lockerer, wenn es um Atomenergie geht.

    Wenn es um die Auswahl eines geeigneten Index geht, ist auch das Thema Diversifikation entscheidend. Der SRI Low Carbon Select Index enthält mit knapp 330 Aktien die wenigsten Titel im Index. Die drei anderen SRI-Indizes knapp 360 und damit fast 23 % des MSCI World Index[6].

    Die Sektoren-Verteilung ist bei allen vier SRI-Ableger ähnlich zu der Gewichtung vom MSCI World. In den Sektoren IT, Kommunikation, Energie und Versorger sind alle SRI-Ableger etwas weniger stark gewichtet und in den übrigen Sektoren etwas mehr[6].

    Die Gewichtung der einzelnen Länder ist ebenfalls am Elternindex orientiert. Die USA sind in allen vier SRI-Indizes deutlich übergewichtet[6].

    Und auch bei der Performance bzw. Wertentwicklung der nachhaltigen Indizes sieht es relativ ähnlich aus. Die annualisierte Netto-Rendite der nachhaltigen SRI-Indizes liegt bei allen vier betrachteten im 3- bzw. 5-Jahreszeitraum über der des Elternindex‘ MSCI World. Im 3-Jahreszeitraum mit rund 16 % etwas mehr als 2 Prozentpunkte und im 5-Jahreszeitraum mit rund 15 % etwas mehr als 1 Prozentpunkt über dem MSCI World[6].

    Schlussendlich kommt es auf die persönlichen Ansprüche und den eigenen Nachhaltigkeitsansatz an, welcher Index bzw. ETF für das eigene Portfolio geeignet ist.

    Aber wichtig zu wissen sind noch folgende Punkte:

    Erstens, die Regeln und Ansätze der jeweiligen zugrundeliegenden Indizes können sich ändern. Beispielsweise können sich bestimmte Ausschluss-Kriterien verändern oder werden ergänzt.

    Zweites, auch der jeweilige Referenzindex eines sogenannten SRI-ETF kann sich ändern. So wurde beispielsweise im größten Amundi MSCI World SRI ETF bereits zweimal der Referenzindex geändert[1]. Seit Auflage des ETF im September 2018 bis Ende Juli 2019 wurde der „MSCI World SRI Index“ als Referenz verwendet, quasi der originäre SRI-Index. Im Anschluss bis Ende Oktober 2020 der „MSCI World SRI 5% Issuer Capped“ und November 2020 bis aktuell heute der oben erwähnte „MSCI World SRI Filtered ex Fossil Fuels Index“. Es könnte also durchaus passieren, dass sich der Referenzindex zukünftig nochmals ändert.

    Fazit

    Auch wenn keiner der aufgeführten ETFs bzw. SRI Indizes für Euch passend ist bzw. nicht zu Euren persönlichen Nachhaltigkeitsgrundsätzen passt, kann folgende Checkliste bei der Auswahl eines geeigneten ETFs helfen:

    1. Immer vorab die Kriterien der Indexanbieter prüfen. Auch wenn das unter Umständen eine zeitaufwendige Aufgabe sein kann, hilft es im Detail zu prüfen ob der jeweilige Index zu den individuellen Ansprüchen passt.
    2. Die Risikostreuung beachten. Der Aktienindex sollte das Risiko breit streuen und bevorzugt über verschiedene Länder und auch Branchen investieren.
    3. Die Replikationsart „physisch“ bevorzugen. Wenn wir nachhaltigen Anlagegrundsätzen folgen, wollen wir wahrscheinlich sichergehen, dass auch nur diese Aktien gekauft werden, welche den jeweiligen Kriterien des Index folgen. Deshalb wird häufig die vollständige oder optimierte physische Replikationsmethode empfohlen. Das bedeutet, besser keine Swap-basierten ETFs auswählen. Denn diese bilden zwar auch den Index ab, aber im Portfolio des ETF-Anbieters können auch andere Positionen sein, welche den persönlichen Nachhaltigkeitsgrundsätzen vielleicht nicht entsprechen.

    Anmerkungen & Quellen

    Daten und Informationen, Stand: 28.05.2021

    Titelbild: Guillaume de Germain (Unsplash)

    [1] Amundi (2021): Amundi Index MSCI SRI – UCITS ETF DR. Monatliches Factsheet. 30.04.2021.
    https://www.amundietf.de/institutionelle_firmenkunden/dl/doc/monthly-factsheet/LU1861134382/DEU/DEU/INSTITUTIONNEL/ETF

    [2] extraETF (2021): https://de.extraetf.com

    [3] MSCI (2021a): https://www.msci.com/our-solutions/esg-investing/esg-indexes

    [4] MSCI (2021b): https://www.msci.com/msci-sri-indexes

    [5] MSCI (2021c): MSCI SRI Index Methodology Books. https://www.msci.com/index-methodology

    [6] MSCI (2021d): MSCI World SRI Index Factsheets (Stand: Mai 2021).

    [7] MSCI Global Ex-Controversial Weapons Indexes.

    [8] MSCI ESG Business Involvement Screening Research (BISR).
    https://www.msci.com/resources/factsheets/MSCI_ESG_BISR.pdf

  • Wie beliebt ist nachhaltiges Investieren wirklich?

    Wie beliebt ist nachhaltiges Investieren wirklich?

    Nachhaltiges Investieren scheint im Trend – die Nachfrage steigt und auch das Angebot an Möglichkeiten zur „nachhaltigen Geldanlage“ wird in Deutschland immer größer.

    Das Angebot an ESG-Fonds und ESG-ETFs ist 2020 so stark gewachsen wie noch nie

    Wer nachhaltig Investieren möchte, hat dazu mittlerweile viele Anlagemöglichkeiten zur Auswahl. Beliebt sind auch börsengehandelte nachhaltige Anlageprodukte, wie beispielsweise Fonds (genauer: Investmentfonds), welche oft mit dem Zusatz ESG als nachhaltige Fonds gekennzeichnet sind.

    Laut Scope Analysis[1] ist die Zahl neu zugelassener ESG-Fonds in Deutschland zum 31.12.2020 das sechste Jahr in Folge gestiegen. In Deutschland waren insgesamt mehr als 1.400 ESG-Fonds zugelassen. Als ESG-Fonds werden Investmentfonds bezeichnet, die bei ihren Anlagen ökologische und soziale Faktoren sowie Grundsätze einer guten Unternehmensführung (ESG-Säulen) berücksichtigen.

    Im Jahr 2020 wurden insgesamt 249 neue ESG-Fonds aufgelegt. Das entspricht einem deutlichen Anstieg (rund +45 %, 172 ESG-Fonds im Jahr 2019) neu zugelassener Fonds, die ESG-Kriterien berücksichtigen.

    Bei Betrachtung nachhaltiger ETF-Produkte, s.g. ESG-ETFs wird deutlich, dass das Wachstum im Jahr 2020 dort besonders groß war. Laut Scope waren 84 der 249 neuen ESG-Fonds s.g. ESG-ETFs, das sind fast doppelt so viele wie im Jahr 2019 (siehe dazu auch unten stehende Abbildung).


    Anzahl neu aufgelegter ESG-Fonds und ESG-ETFs in Deutschland von 2010 bis 2020 (Eigene Darstellung basierend auf [1])

    Aktienfonds machen weiterhin insgesamt (ESG-Fonds) und auch bei ESG-ETFs den größten Anteil aus. Rund die Hälfte der 165 aktiv gemanagten ESG-Fonds investiert in Aktien. Bei den 84 passiven ESG-ETFs entfallen laut Scope rund 80 % auf Aktienfonds.[2]

    Die Nachfrage nach ESG-Fonds stieg ebenfalls

    Die Nachfrage nach ESG-Fonds kann vereinfacht im verwalteten Vermögen der ESG-Fonds gemessen werden. Laut Scope Analysis‘ ESG Quarterly Q2 2021[2] waren im ersten Quartal 2021 mehr als 700 Mrd. EUR verwaltetes Vermögen in mehr als 1.500 ESG-Fonds (Stand: 31.03.2021). Das Fondsvolumen hat sich in den letzten drei Jahren damit mehr als verdoppelt. Wie auch bei der Anzahl der ESG-Fonds in Deutschland entfällt ein Großteil des verwalteten Vermögens auf Aktienfonds: Laut Scope fast 60 % (mehr als 400 Mrd. EUR).

    Update Juli 2021: Großteil der nachhaltigen Fonds sind nach Artikel 8 SFDR klassifiziert

    Seit März 2021 müssen Investmentfonds in s.g. Nachhaltigkeitskategorien klassifiziert werden. Basierend auf der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)[4], auf Deutsch häufig „Offenlegungsverordnung“ bzw. „Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“, muss Auskunft darüber gegeben werden, in welchem Ausmaß Fonds „nachhaltig“ sind.

    Dazu wird aktuell zwischen der Kategorisierung Artikel 8 und Artikel 9 (-Fonds) unterschieden, bzw. in diese SFDR-Kategorien eingeordnet:

    • Artikel 8: Oft auch hellgrüne Fonds genannt, werden beispielsweise mit ESG-Kriterien beworben.
    • Artikel 9: Häufig auch als dunkelgrün bezeichnet, sind Fonds mit einem expliziten Nachhaltigkeitsziel.

    Scope Analysis hat die Anzahl der nachhaltigen Fonds ermittelt und kam zu dem Ergebnis, dass insgesamt knapp 23 % aller in Deutschland zugelassenen Fonds als nachhaltige Fonds (Investmentfonds) eingestuft werden – also nach Artikel 8 oder 9.[3]

    Allein auf Aktienfonds bezogen waren es laut Scope 28,1 % die nach Artikel 8 oder 9 klassifiziert wurden. Rund 1.200 Aktienfonds sind nach Artikel 8 („hellgrün“) und rund 260 Aktienfonds nach Artikel 9 (“dunkelgrün“) klassifiziert (siehe dazu auch Abbildung unten).


    Anzahl neu aufgelegter ESG-Fonds und ESG-ETFs in Deutschland von 2010 bis 2020 (Eigene Darstellung basierend auf [1])

    Anmerkungen & Quellen

    Titelbild: Nathália Rosa (Unsplash)

    [1] Scope Analysis: ScopeExplorer – ESG Quarterly Q1 2021 ESG-Fondsmarkt mit Rekordwachstum (01.03.2021).
    https://www.scopeexplorer.com/files/get/?name=news.ReportFile/bytes/filename/mimetype/ScopeExplorer_ESG_Quarterly_Q1_2021_Mar.pdf

    [2] Scope Analysis: ScopeExplorer – ESG Quarterly Q2 2021 ESG-Fonds Angebot wächst weiter dynamisch (18.05.2021).
    https://www.scopeexplorer.com/files/get/?name=news.ReportFile/bytes/filename/mimetype/ScopeExplorer_ESG_Quarterly_Q2_2021_May.pdf

    [3] Scope Analysis: ScopeExplorer – ESG Quarterly Q3 2021 Fast jeder vierte Fonds Artikel oder 9 (29.07.2021).
    https://www.scopeexplorer.com/files/get/?name=news.ReportFile/bytes/filename/mimetype/ScopeExplorer_ESG_Quarterly_Q3_2021_Jul.pdf

    [4] Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.
    https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2019/2088/oj

  • Warum ein langfristiger Anlagehorizont beim Investieren an der Börse so wichtig ist

    Warum ein langfristiger Anlagehorizont beim Investieren an der Börse so wichtig ist

    Die Datenlage scheint eindeutig – Investieren an der Börse ist grundsätzlich riskant, langfristiges Investieren beispielsweise über börsengehandelte Indexfonds (ETFs) jedoch deutlich weniger.

    In diesem Artikel beleuchten wir zwei Perspektiven und Argumente, die für langfristiges Investieren an der Börse sprechen.

    Investieren an der Börse ist riskant

    Prognosen sollen schwierig sein, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. So oder so ähnlich wird häufig zitiert. Vor allem hinsichtlich der Entwicklung von Börsenkursen oder Renditeerwartungen von Investitionen. Auch, wenn Day-Trader oder andere Anleger mit kurzfristigem Anlagehorizont es wahrscheinlich anders sehen.

    Für die meisten von uns fehlt es wahrscheinlich an Zeit, Geduld oder Interesse sich ständig mit Börsenkursen, Quartalsberichten oder anderen Indikatoren für eine mögliche Zukunftsentwicklung auseinander zu setzen.

    Dennoch versuchen viele ihr Glück an der Börse und wollen beispielsweise von den kurzfristig starken Schwankungen profitieren. Laut der Handelsplattform Etoro verlieren rund 80 % der Day-Trader innerhalb eines Jahres Geld. Und das bei einem mittleren Verlust von -36,30 % (Median). Und mehr als 75 % aller Day-Trader sollen innerhalb von zwei Jahren sogar aufgeben[4].

    Rund 80 % der Day-Trader erzielen im Schnitt eine negative Rendite von rund -36 %!

    Langfristiger Anlagehorizont und Diversifikation haben sich bewährt

    Deshalb hat es sich bewährt einen langfristigen Anlagehorizont zu wählen – vor allem als Privatanleger, der nicht entscheiden will ob, welche und wann Aktien ge- oder verkauft werden sollen. Vereinfacht ausgedrückt: Bei einer diversifizierten Anlageklasse zu bleiben und langfristig investiert zu bleiben.

    Vor allem, weil sich dadurch die Verlustwahrscheinlichkeit reduzieren lässt und positive Renditen (also Gewinne) wahrscheinlicher werden.

    Verluste werden unwahrscheinlicher

    Duncan Lamont von Schroders[1] hat in einem vielfach zitierten Artikel am Beispiel des US-amerikanischen S&P 500 Index gezeigt, dass sich mit längerem Anlagehorizont historisch betrachtet die Verlustwahrscheinlichkeit auf nahezu null reduzieren lässt. Dazu wurde der S&P 500 Index von 1871 bis 2020 ausgewertet und die rollierenden Renditen für sieben verschiedene Anlagezeiträume (1 Monat, 3 Monate, 1 Jahr, 3 Jahre, 5 Jahre, 10 und 20 Jahre) analysiert.

    Das Ergebnis scheint eindeutig: Je länger ein Anleger innerhalb des 148 Jahre investiert war, desto unwahrscheinlicher wurde ein Verlust (siehe dazu auch die Abbildung unten). Wer beispielsweise für einen Monat im S&P 500 investiert war, hatte in knapp 40 % der Fälle inflationsbereinigt Verluste zu realisieren. Das bedeutet, in 704 von 1.790 Monaten der Analyse wurde eine negative Rendite erreicht.

    Wer jedoch länger im S&P 500 investiert war, erhöhte die Gewinnwahrscheinlichkeit deutlich bzw. reduzierte die Verlustwahrscheinlichkeit. Im 5-Jahreszeitraum wurde in knapp 20 % der rollierenden Zeiträume ein Verlust realisiert. Wer sogar 20 Jahre investiert war, hätte zwischen Januar 1871 und März 2020 nur in einem 20-Jahreszeitraum Verluste realisiert – und zwar zwischen Juli 1901 und Juni 1921 mit einer realen Rendite von -0,2 % pro Jahr.


    Anteil der Zeit, in der Anleger Geld verloren hätten am Beispiel des S&P 500 Index. (Eigene Darstellung basierend auf [1])

    Wir haben eine ähnliche Analyse für den MSCI World Kursindex durchgeführt und kamen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. Basierend auf monatlichen Tagesendkursen des MSCI World Kursindex[3] vom 31.12.1969 bis 30.07.2021 haben wir 620 Datenpunkte analysiert und acht rollierende Zeiträume (1 Monat, 3 Monate, 6 Monate, 1 Jahr, 3 Jahre, 5 Jahre, 10 und 20 Jahre) festgelegt. Da der MSCI World erst am 31.03.1986 aufgesetzt wurde, basieren die Datenpunkte vorher auf Berechnungen von MSCI[2].

    In der unten aufgeführten Abbildung sind die Ergebnisse der einzelnen rollierenden Zeiträume dargestellt und der Anteil, in denen Anleger negative Renditen ausgesetzt waren.

    Wer beispielsweise einen Monat im MSCI World investiert war, hatte in knapp 40 % der Fälle mit negativen Renditen zu rechnen. Analog zum S&P 500 verringerte sich auch beim MSCI World die Wahrscheinlichkeit Verluste zu realisieren mit längerem Anlagehorizont. Wer beispielsweise 5 Jahre investiert war, hatte nur noch in knapp 18 % der Fälle eine negative Rendite und im 10-Jahreszeitraum waren es sogar nur noch knapp 5 %. Wer sogar 20 Jahre investiert war, hätte in den 380 rollierenden 20-Jahreszeiträumen kein einziges Mal Verluste realisiert (nominal, ohne Berücksichtigung von Inflation).


    Anteil der Zeit, in der Anleger Geld verloren hätten, abhängig vom jeweiligen Anlagehorizont am Beispiel des MSCI World Kursindex (1969-2021).(Eigene Berechnung und Darstellung basierend auf [3])

    Rendite schwankt weniger

    Neben der Wahrscheinlichkeit für Verluste, also wie häufig gab es für einen rollierenden Zeitraum negative Renditen, ist die Analyse der minimalen, maximalen und durchschnittlichen annualisierten Rendite besonders interessant.

    Wir haben die gleichen Kursdaten wie oben zum MSCI World Kursindex verwendet und fünf rollierende Zeiträume festgelegt sowie daraus die annualisierte Renditen berechnet (siehe dazu auch unten aufgeführte Abbildung).

    Fast unabhängig vom Anlagehorizont war die durchschnittliche annualisierte Rendite des MSCI World Kursindex bei knapp 8 %.

    Jedoch analog zu der Wahrscheinlichkeit für Verluste verringert sich mit längerem Anlagehorizont die Rendite-Schwankung. Wer beispielsweise zwischen 1970 und 2021 jeweils 1 Jahr im MSCI World investiert war, hatte im besten Fall ca. 62 % Rendite, aber im schlechtesten Fall ca. -48 %. Bei längerem Anlagehorizont verringert sich die Rendite-Schwankung und nähert sich dem Durchschnittswert von fast 8 % an.

    Bei einem Anlagehorizont von 5 Jahren, war im besten Fall die annualisierte Rendite knapp 30 %, im schlechtesten Fall nur noch knapp 7 %.

    Wer 20 Jahre investiert war, hatte ausschließlich positive Renditen (nominal, annualisiert) – im schlechtesten Fall etwas mehr als 1 % und im besten Fall rund 13 %. Die niedrigste Rendite von 1,3 % gab es im 20-Jahres-Zeitraum vom 31.03.2000 bis 31.03.2020, also, wer zum Kurshoch des Dot-Com-Booms Anfang 2000 eingestiegen ist und zum Corona-Crash März 2020 ausgestiegen ist.

    Da sich die betrachteten Daten und Ergebnisse auf den Kursindex des MSCI World beziehen, sind weder Dividenden noch Steuer oder Inflation berücksichtigt. Bedeutet: Die Ergebnisse sind tendenziell konservativ und schlechter als beispielsweise bei einem thesaurierenden ETF auf den MSCI World Index.


    Maximale, minimale und durchschnittliche jährliche Renditen des MSCI World Kursindex (1969-2021).(Eigene Berechnung und Darstellung basierend auf [3])

    Fazit

    Kurzgefasst: Wer einen langfristigen Anlagehorizont beim Investieren an der Börse verfolgt – vor allem über breit gestreuten ETFs, hatte in der Vergangenheit mit höherer Wahrscheinlichkeit positive Renditen (vor Steuer und ohne Berücksichtigung von Dividenden und Inflation), als bei kurzfristiger Anlagedauer von beispielsweise weniger als 5 Jahre.

    Und auch wenn wir nicht in die Zukunft schauen können und die Vergangenheit bekannterweise kein verlässlicher Indikator für die Zukunft ist: Solange wir in einer gewinnorientierten Marktwirtschaft investieren – und dabei ist es unabhängig, ob es nachhaltige oder nicht-nachhaltige Investitionen betrifft, ist vor allem ein langfristiger Anlagehorizont (neben einem gut diversifizierten Portfolio) entscheidend über positive Renditen – also Gewinne an der Börse.

    Ein langer Atem zahlt sich aus und auch wenn kurzfristig oder innerhalb des eigenen Anlagehorizonts Buchverluste auf dem Depot erscheinen, in der Vergangenheit hat sich eine Anlagedauer von 15 Jahren oder mehr bezahlt gemacht.

    Anmerkungen & Quellen

    Daten und Informationen aktualisiert: 02.08.2021

    Titelbild: Clay LeConey on Unsplash

    [1] Duncan Lamont (Schroders). The data that shows a case for long-term investing (22.04.2020).
    https://www.schroders.com/en/be/professional-investor/insights/markets/the-data-that-shows-a-case-for-long-term-investing/

    [2] Factsheet MSCI World Index (USD) (Stand: 30.06.2021)
    https://www.msci.com/documents/10199/178e6643-6ae6-47b9-82be-e1fc565ededb

    [3] MSCI World Index (Price, USD). End of day index data search. (30.07.2021)
    https://www.msci.com/end-of-day-data-search

    [4] Mark Lyck: Why 80% of Day Traders Lose Money.
    https://marklyck.medium.com/why-80-of-day-traders-lose-money-78d51b10fe25

  • 5 Grundregeln für den einfachen und nachhaltigen Vermögensaufbau

    5 Grundregeln für den einfachen und nachhaltigen Vermögensaufbau

    Wie soll ich mit dem Vermögensaufbau beginnen, welche Schritte werden allgemein empfohlen und wie kann ich systematisch sparen und gleichzeitig meinen Lebensstandard halten?

    Kurzgefasst sind für die ersten Schritte zwei Faktoren entscheidend:

    1. Einnahmen – in Form unseres Nettogehalts
    2. Ausgaben – aufgeteilt in fixe und variable Kosten

    In diesem Artikel haben wir die wahrscheinlich 5 wichtigsten Grundregeln und Schritte für den Vermögensaufbau erläutert sowie die wichtigsten Kennzahlen und Grundbegriffe für die persönliche Finanzplanung aufgeführt.

    1. Langfristig weniger Ausgaben als Einnahmen

    Für den langfristigen und nachhaltigen Vermögensaufbau ist es unerlässlich, durchschnittlich einen Überschuss zu realisieren – sprich: weniger auszugeben als einzunehmen.

    Kontrolle über das Ausgabeverhalten ist die Basis für den Umgang mit Geld

    Wichtige Kennzahlen sind der Sparbetrag und die Sparquote:

    • Sparbetrag = Differenz aus Einnahmen und Ausgaben.
    • Sparquote = Division aus Sparbetrag und Einnahmen.

    Die häufig diskutierte Frage: Wie hoch sollte die Sparquote bzw. der Sparbetrag sein, um langfristig Vermögen aufzubauen?

    2. Sparquote bzw. Sparbetrag festlegen

    Das Ziel ist, eine Sparquote bzw. Sparbetrag festzulegen, welche wir langfristig verfolgen möchten, um damit das Vermögen aufzubauen.

    In der Praxis haben sich dafür verschiedene Faustformeln durchgesetzt, die zwei bekanntesten dafür sind:

    1. 50-30-20-Regel
    2. >100€ Regel

    Unsere Empfehlung ist, sich nicht unbedingt auf Faustformeln zu verlassen, sondern die Sparquote bzw. den Sparbetrag individuell so hoch wie möglich zu wählen und regelmäßig prüfen, ob es möglich ist, die Quote bzw. Betrag noch weiter zu erhöhen.

    3. Sparen automatisieren

    Unserer Erfahrung nach wird von Gehaltseingang zu Gehaltseingang konsumiert, und der Vermögensaufbau und damit auch das Sparen wird „vergessen“.

    Ich spare was am Ende des Monats übrig bleibt – funktioniert in den wenigsten Fällen langfristig.

    Deshalb unsere Empfehlung: Sparen automatisieren. Damit verfolgen wir systematisch ein festgelegtes Sparziel, ohne es zu „vergessen“. Automatisieren können wir mit Hilfe eines Dauerauftrags in Höhe des festgelegten Sparbetrags auf ein separates Konto. Wir empfehlen den monatlichen Dauerauftrag ein paar Werktage nach der vereinbarten Gehaltszahlung einzurichten. Da es durchaus vorkommen kann, dass Gehaltszahlungen beispielsweise durch Feiertage zeitlich verzögert überwiesen werden.

    Mit der Einrichtung eines Dauerauftrags zum Sparen verringert sich unser monatliches Konsumbudget um einen geringen Teil. Jedoch gewöhnen wir uns meistens schon nach wenigen Monaten daran plus wir füllen unser Sparkonto automatisch und verfolgen so stetig unser Vermögen aufzubauen.

    Nachdem wir unseren Dauerauftrag eingerichtet haben und damit unser Sparvorhaben automatisiert ist, können wir mit dem eigentlichen Vermögensaufbau beginnen.

    4. Notfallrücklagen (auch: Notgroschen) aufbauen

    Bevor wir unser angespartes Geld in andere(s) „investieren“, sollten wir „in uns selbst investieren“. Damit ist vor allem unser emotionales Wohlbefinden gemeint, welches für die meisten von uns schon durch ein kleines Finanzpolster – der sogenannte Notgroschen oder Notfallrücklagen – erhöht werden kann. Egal wie belastbar wir sind, niemand ist geschützt vor Eventualitäten, welche uns finanziell herausfordern.

    Notfallrücklagen ermöglichen es uns, auch für finanzielle Herausforderungen gut aufgestellt zu sein.

    Wie hoch die Notfallrücklagen sein sollten, ist individuell abhängig von der persönlichen Risikobereitschaft bzw. unserem Sicherheitsbedürfnis. Als Faustregel haben sich in der Praxis häufig folgende Werte bzw. Regeln durchgesetzt:

    1. Angestellt:
      1. 3x – 6x des Nettomonatsgehalts (bspw. bei einem Nettogehalt von 2000 € sollten zwischen 6.000 € – 12.000 € Rücklagen gebildet werden)
      2. 6x der monatlichen Fixkosten
    2. Selbstständig:
      1. 6x – 12x des Nettomonatsgehalts
      2. 12x der monatlichen Fixkosten

    Kritiker bemängeln in der aktuellen Zinsphase, dass solche Notfallrücklagen reine „Geldvernichtung“ seien, da wir durch die Inflation jährlich weniger reale Kaufkraft mit unseren Rücklagen realisieren. Unserer Erfahrung nach ist es nichtsdestoweniger beruhigend zu wissen (und auf dem eigenen Kontostand zu sehen), dass für Eventualitäten Rücklagen da sind und wir beispielsweise in einer Notlage keine Schulden aufnehmen oder Vermögenswerte liquidieren müssten.

    Stellt Euch folgende Fragen:

    • Was ist überhaupt ein Notfall für mich?
    • Welche möglichen Eventualitäten könnten mich betreffen und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?
    • Mit welchem Betrag als Notfallrücklage fühle ich mich wohl?

    Wenn wir unsere Notfallrücklagen aufgebaut haben, könnten wir unseren Sparbetrag beispielsweise weiter auf einem Tagesgeldkonto ansammeln. Da wir aktuell auf unsere Einlagen bei der Bank weniger Zinsen erhalten als wir jährlich an Kaufkraft durch Inflation verlieren (=negativer Realzins) sollten wir unser Geld investieren. 

    5. Investieren – Nettovermögen erhöhen

    Die Grundregel „Investieren“ bezieht sich auf unser gespartes Geldkapital, welches wir zum Vermögensaufbau mit Hilfe einer Investition nutzen wollen.

    Durch Investieren können wir langfristig unser (Netto)Vermögen vermehren.

    Wenn wir vom Vermögensaufbau eines Privathaushalts sprechen, beziehen wir uns meistens auf das Nettoprivatvermögen – d. h. unser Ziel ist es, das Nettovermögen zu erhöhen.

    Das Nettoprivatvermögen können wir uns schematisch als Vermögensbilanz visualisieren[1]:

    • Aktiva: Bruttovermögen = Summe aller privaten Vermögenswerte, dazu zählt auch unser angespartes Geldvermögen.
    • Passiva: Nettovermögen = Bruttovermögen abzüglich unserer Schulden.

    Eigenes Nettovermögen berechnen?

    Wir können den interaktiven Vermögensrechner der FAZ empfehlen.

    Beim Vermögensaufbau haben wir gemäß der Vermögensbilanz zwei Hebel, welche unser Nettovermögen beeinflussen. Auf der einen Seite das (Brutto)Vermögen und auf der anderen Seite die Schulden.

    Hebel 1: Verbindlichkeiten / Schulden abbauen

    Sofern vorhanden, sollten mit den Sparbeträgen prioritär Konsumschulden abgebaut werden. Nachdem vorhandene Schulden abgebaut sind und eine Notfallrücklage aufgebaut wurde, sollte es an das Investieren gehen.

    Hebel 2: Nettovermögen erhöhen durch Investieren

    Investieren können wir wie in der Privatbilanz veranschaulicht beispielsweise in Sach- oder Finanzvermögen.

    Sachvermögen:

    • Immobilien,
    • Schmuck,
    • Rohstoffe
    • ….

    Finanzvermögen:

    • Spar- und Giroguthaben (dazu zählen auch die Notfallrücklagen)
    • Wertpapiere (Aktien, Fonds, Anleihen, …)
    • Beteiligungen

    In was soll ich überhaupt investieren?

    Kurz und knapp: Geht den persönlichen Interessen nach, da uns meist einfacher fällt sich damit zu beschäftigen – und das ist unerlässlich, um eine Entscheidung mit dem eigenen Geld zu treffen, sprich: eine Investition zu tätigen. Ohne Grundkenntnisse kann es beispielsweise in einer Krise passieren, in Panik zu verfallen und auf die Hilfe vermeintlicher Experten angewiesen zu sein und deren „Rat“ zu befolgen.

    Deshalb unsere Empfehlung:

    1. Während Notfallrücklagen per Dauerauftrag aufgebaut werden,
    2. parallel über Investitionsmöglichkeiten weiterbilden,
    3. dann entscheiden, wie das eigene Geld angelegt werden soll.

    Investiert quasi in Euch selbst. Mittlerweile gibt es gute kostenlose Angebote zur Weiterbildung im Bereich privater Finanzen, beispielsweise YouTube-Videos, Podcasts, Blogs oder Bücher.  Bildet Euch nebenbei und stetig im jeweiligen Interessensgebiet aus bzw. weiter.

    Bonustipp #1: Anfangen

    Beginnt so früh, wie möglich mit dem Thema Vermögensaufbau – d. h. Sparbetrag festlegen, diesen per Dauerauftrag auf ein separates Konto überweisen und sich stetig im Bereich der privaten Finanzen weiterbilden. Folge beispielsweise der Devise:

    1. Anfangen (desto früher, desto besser)
    2. Erfahrungen sammeln
    3. Weiterbilden
    4. Umsetzen ➡️ 2.

    Bonustipp #2: Vermögensaufbau optimieren

    Zur Optimierung des systematischen Vermögensaufbaus können wir folgende Tipps empfehlen:

    1. Separate Konten: Sparen und Konsum trennen

    Legt die Sparbeträge auf einem separaten Konto an und folgt dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Nutzt beispielsweise eines der vielen kostenlosen Direktbank-Konten und verstaut die dazugehörigen Giro- oder Kreditkarten in der Schublade oder nutzt ein Tagesgeldkonto ohne dazugehörige Karte, auf welches Ihr keinen „schnellen“ Zugriff zum Ausgeben habt.

    2. Sparquote bzw. Sparbetrag regelmäßig erhöhen

    Versucht alle paar Monate den Sparbetrag bzw. die Sparquote zu erhöhen. Nutzt den sogenannten Gewöhnungseffekt, d.h. wir gewöhnen uns meistens sehr schnell an unser monatliches Budget und können deshalb den zu Beginn festgelegten Sparbetrag oft noch weiter erhöhen.

    3. Gehaltserhöhungen zu mind. 50 % in Sparbetrag überführen

    Passt konsequent bei jeder Gehaltserhöhung den Sparbetrag um mindestens 50 % der Gehaltserhöhung an. Das heißt wir versuchen unseren Lebensstandard  nicht mit jeder Gehaltserhöhungen zu erhöhen, sondern nur um 50 % der Gehaltserhöhung. Wenn wir beispielsweise eine Gehaltserhöhung um 100 € pro Monat erhalten, erhöhen wir unseren Sparbetrag um mindestens 50 €.

    Kennt Ihr weitere Praxistipps?

    Schreibt uns gerne, wir werden diese hier ergänzen, damit auch andere davon profitieren können.

    Anmerkungen & Quellen

    Titelbild: Ibrahim Rifath on Unsplash

    [1] Deutsche Bundesbank (2019). Monatsbericht April 2019. Vermögen und Finanzen privater Haushalte in Deutschland.
    https://www.bundesbank.de/resource/blob/794130/d523cb34074622e1b4cfa729f12a1276/mL/2019-04-vermoegensbefragung-data.pdf