Geld erfolgreich anzulegen, Vermögen aufzubauen oder die Altersvorsorge zu sichern – all das erfordert weder ein besonderes Talent noch einen akademischen Abschluss. Jeder kann es lernen. Doch wer sich intensiver mit Themen wie ETFs oder Vermögensaufbau beschäftigt, kann schnell der Meinung sein, bereits alles Wichtige zu wissen. Meine steile These: Das ist für die meisten von uns, mich eingeschlossen, schlichtweg falsch.

In diesem Artikel schauen wir uns deshalb 12 knifflige Finanzfragen für Fortgeschrittene und Profis an. Welche Renditen können Anleihen langfristig abwerfen? Wozu dient die Standardabweichung unserer Rendite? Und was hat es mit der mentalen Buchführung auf sich?

Teste Dein Finanzwissen selbst und finde heraus, wie sicher Du Dir wirklich bist!

Warum überschätzen wir oft unser Finanzwissen?

Beim Lernen und der Aufnahme neuer Informationen gibt es ein bekanntes Sprichwort:

Je inkompetenter eine Person, desto größer das Selbstbewusstsein.

Auch, wenn es um unser Finanzwissen geht, ist dieses Sprichwort zu beobachten. Der Verlauf kann folgendermaßen beschrieben werden:

  • Überschätzung: Wenn wir zum ersten Mal viele neue Informationen zu Finanzen aufnehmen, neigen wir dazu, uns zu überschätzen. Unser Selbstvertrauen ist hoch, obwohl unser Wissen noch sehr begrenzt ist.
  • Tal der Verzweiflung: Mit zunehmendem Wissen und Verständnis nimmt das Selbstvertrauen oft ab. An diesem Punkt erkennen wir, dass das Thema Finanzen komplexer ist, als wir ursprünglich dachten.
  • Langsame Verbesserung: Mit steigender Kompetenz entwickelt sich ein realistisches Bild unserer Fähigkeiten. Dies ist ein wichtiger Schritt, bevor wir teure Fehler machen.

Übrigens wird dieser Verlauf häufig fälschlicherweise mit dem „Dunning-Kruger-Effekt“ beschreiben. Auch wenn der die anfängliche Überschätzung und der darauffolgende Abfall des Selbstvertrauens – oder „Mount Stupid“ – von Dunning und Kruger wissenschaftlich nicht beobachtet werden konnte, ist es für die Praxis ein doch anschauliches Bild und scheint nachvollziehbar.

Wie sieht es in der breiten Bevölkerung mit dem Finanzwissen aus?

Neigen wir als Gesellschaft zu übermäßigem Selbstvertrauen, auch im Bereich Finanzen?

Eine globale Finanzbildungsstudie der OECD von 2023 zeigte, dass Erwachsene in Deutschland im internationalen Vergleich mit 39 OECD Ländern ein überdurchschnittlich hohes Finanzkompetenzniveau haben.

Doch hinter dieser Aussage verbirgt sich ein Problem: Die getestete Kompetenz basiert oft auf relativ einfachen Fragen. Dies könnte bei vielen zu einem überzogenen Selbstvertrauen führen.

Auch wenn einfache Tests positive Ergebnisse liefern, bleibt die Realität beim Thema Vermögensaufbau und Altersvorsorge komplexer. Es gibt immer noch mehr zu lernen – und die Komplexität der Finanzwelt sollte nicht unterschätzt werden.

Was ist Finanzwissen für Fortgeschrittene?

Welche Themen solltest Du beim Thema Geldanlage, Vermögensaufbau und Altersvorsorge noch kennen, die sich tendenziell eher an Fortgeschrittene richten?

Ich habe dazu 12 Fragen für Fortgeschrittene und die, die es werden wollen, zusammengestellt (hier findet ihr noch mehr Quizze und die Inspirationsquelle).

Frage 1: Staatsanleihen und langfristige Rendite

Wer im Jahr 1970 damals 1.000 USD in eine bis zum Jahr 2024 reichende Serie an US-Staatsanleihen investiert hätte, wie viel Geld hätten wir dann ungefähr Anfang 2024?

A: 300 USD

B: 3.000 USD

C: 30.000 USD

D: 300.000 USD

Lösung
Richtige Antwort C: ungefähr 30.000 USD – wobei hier keine Inflation berücksichtigt wurde. Quelle: ODAD (2024).

Frage 2: Staatsanleihen und Inflation

Selbe Situation und Investment, aber mit Berücksichtigung von Inflation: Wer im Jahr 1970 damals 1.000 USD in eine bis zum Jahr 2024 reichende Serie an US-Staatsanleihen investiert hätte, wie viel wären die 1.000 USD nach Berücksichtigung von Inflation Anfang 2024 wert?

A: 240 USD

B: 780 USD

C: 1.600 USD

D: 3.900 USD

Lösung
Richtige Antwort D: ungefähr 3.900 USD – nicht mehr ganz so viel. Quelle: ODAD (2024).

Jedoch war das Ausfallrisiko von US-Staatsanleihen historisch betrachtet relativ gering.

Frage 3: Aktienindex und langfristige Rendite

Wer im Jahr 1970 damals 1.000 USD in einen US-Aktienmarkt-Index mit den 500 größten Unternehmen investiert hätte, wie viel wären im Jahr 2024 ungefähr im Depot? Annahme: Alle Dividenden wurden reinvestiert.

A: 89.000 USD

B: 192.000 USD

C: 375.000 USD

D: 1.100.000 USD

Lösung
Richtige Antwort B: rund 192.000 USD – wobei hier keine Inflation berücksichtigt wurde.

Mit Berücksichtigung von Inflation würden aber immer noch fast 25.000 USD an Kaufkraft übrig bleiben. Quelle: ODAD (2024).

Frage 4: Langfristiges Depotvermögen und jährliche Rendite

Welche jährlichen Rendite würde diese Wertsteigerung der Einmalanlage von 1.000 USD auf rund 192.000 USD im Zeitraum von über 50 Jahren (ungefähr) entsprechen?

A: 4 %

B: 7 %

C: 10 %

D: 12 %

Lösung
Richtige Antwort C: rund 10 % pro Jahr.

Inflationsbereinigt wären es übrigens etwas mehr als 6,2 % jährliche Rendite. Quelle: ODAD (2024).

Dieser Vermögensanstieg ist für die meisten von uns wohl nur schwer vorstellbar.

Frage 5: Risiken an der Börse

Klingt schön und gut, aber wie die meisten wahrscheinlich wissen, birgt der Aktienmarkt auch Risiken. Was versteht man unter dem Risikobegriff „Volatilität“?

A: Jährliche größte Differenz zwischen Höchst- und Tiefkurs

B: Standardabweichung der Renditen

C: Maximalen Verlust in der Vergangenheit

D: Durchschnittliche Schwankung des Aktienkurses pro Monat

Lösung
Richtige Antwort B: Standardabweichung der Renditen. Die Standardabweichung zeigt uns, inwieweit die Renditen im Mittel von ihrem Durchschnittswert abweichen. Eine Aktie mit breiter Streuung, also mit teilweise sehr hohen und teilweise sehr niedrigen Renditen, wird riskanter bewertet, als Aktien mit relativ konstanten Renditen.

Frage 6: Gefühl für Volatilität

Jetzt noch zur Einordnung von Volatilität: Wie hoch war die Volatilität jährlicher Renditen des US-Aktienmarkts von 1970 bis 2024? 

A: 5 % pro Jahr

B: 10 % pro Jahr

C: 20 % pro Jahr

D: 40 % pro Jahr

Lösung
Richtige Antwort C: 20 % pro Jahr.

Bedeutet, die Abweichungen sind größer als die durchschnittliche Rendite selbst. Wenn wir zu häufig die Kursbewegungen bei langfristigen Aktienindex-Investments beobachten, kann das schon manchmal für Unsicherheit sorgen. Wer dagegen langfristig dabei geblieben ist, wurde belohnt.

Frage 7: Gefühl für maximale Verluste

Ein weiterer Risikobegriff beschreibt den maximalen Verlust eines Investments vom Höchststand bis zum tiefsten Punkt innerhalb einer Periode. Dieser sogenannte „Maximum Drawdown“ zeigt uns, was wir seit dem Zeitpunkt des Hochstandes an Rendite verloren hätten.

Wie hoch war der Maximum Drawdown des US-Aktienmarktes S&P500 von 1970 bis 2024?

A: -32 %

B: -56 %

C: -69 %

D: -84 %

Lösung
Richtige Antwort B: -56 %.

Dieser Maximum Drawdown des S&P 500 ereignete sich während der globalen Finanzkrise zwischen September 2007 und März 2009.

Der MSCI World hat im Zeitraum von 1970 bis 2024 ebenfalls etwas mehr als -50 % verloren.

Frage 8: Risiko und Rendite Fortgeschritten

Kombinieren wir Rendite und Risiko. Welcher Begriff beschreibt das Verhältnis der Überrendite (Rendite über dem risikofreien Zins) eines Investments und dem eingegangenen Risiko in Form der Volatilität? ((Rendite des Portfolios)-(Risikofreier Zinssatz)) / Volatilität

A: Risiko-Rendite-Verhältnis

B: Verlustquote

C: Sharpe Ratio

D: P/E Ratio

Lösung
Richtige Antwort C: Sharpe Ratio.

Angenommen unser Investment erreicht eine Rendite von 7 %, der risikofreie Zins ist 2 % und die Volatilität liegt bei 25 %. Die Sharpe-Ratio dieses Investments entspricht dann 0,2 [(7%-2%) / 25%].

Sharpe Ratios können folgendermaßen interpretiert werden:

  • Sharpe Ratio > 1: Sehr gut. Die Anlage erwirtschaftet mehr Rendite als Risiko
  • Sharpe Ratio = 1: Ausgewogen. Chancen und Risiken stehen im Gleichgewicht
  • Sharpe Ratio < 1: Unterdurchschnittlich. Das Risiko überwiegt die Rendite
  • Sharpe Ratio < 0: Schlecht. Die Rendite liegt unter dem risikofreien Zinssatz

Durch Diversifikation lässt sich die Sharpe-Ratio eines Portfolios erhöhen und wir erhalten mehr Rendite pro Einheit an Risiko. Quelle: Fidelity (2024).

Frage 9: Kognitive Verzerrungen, oder Denkfehler für Fortgeschrittene: Hätte, hätte, …

Wir lesen folgenden Kommentar: „Ich wusste es doch schon immer, ich hätte damals in Apple und Amazon investieren sollen.“

Welche kognitive Verzerrung beschreibt diese Aussage wahrscheinlich?

A: Rückschaufehler

B: Bestätigungsfehler

C: Kontrollillusion

D: Verfügbarkeitsheuristik

Lösung
Richtige Antwort A: Rückschaufehler.

Oder auch „hinterher ist sind wir immer schlauer“. Vielleicht sind der Person damals wirklich diese Aktien aufgefallen. Aber wieviele andere Investmentideen sind über die Jahre erwähnt worden, die nicht so erfolgreich waren? Aber an die erinnern wir uns eben nicht so häufig: unser Gedächtnis ist selektiv.

Frage 10: Kognitive Verzerrungen: Logische Schlussfolgerungen

Du hörst in Deinem Umfeld wird diskutiert, dass man doch in ein internationales Traditionsunternehmen aus der Umgebung investieren könnte, da bisher alle von der Produktqualität überzeugt sind.

Was könnte man an dieser Argumentation kritisieren?

A: Home-Bias

B: Mentale Buchführung

C: Eine schwierige Entscheidung, wird durch eine einfache irrelevante ersetzt.

D: Verfügbarkeitsheuristik

Lösung
Richtige Antwort C.

Die nicht ganz einfache Entscheidung, ob in ein Unternehmen investiert werden soll hängt von vielen Faktoren ab und sollte nicht durch einen einzigen einfachen Faktor getroffen werden.

Die Frage, die beantwortet werden möchte: „Soll ich in dieses Unternehmen investieren?“

Das Umfeld beantwortet stattdessen die Frage: „Stellt dieses Unternehmen gute Produkte her?“

Antworten auf diese Fragen können theoretisch komplett unabhängig voneinander sein, da es beim Investieren nicht auf Produktqualität, sondern das Rendite-Risikoprofil einer Anlage ankommt. Es kann gute Investments in Unternehmen mit schlechten Produkten genauso geben, wie schlechte Investments in Unternehmen mit guten Produkten.

Wenn das Umfeld davon überzeugt ist, die gute Produktqualität erhöhe die erwartete Rendite, müsste jedoch auch begründet werden, warum das ein Informationsvorteil gegenüber dem Markt ist. Denn der Preis, den Investoren an der Börse bereit sind zu zahlen, spiegelt die bekannte Information über die gute Qualität bereits wider.

Frage 11: die Richtige Wahl

Deine Eltern haben ein teures Finanzprodukt gekauft, das seitdem schlechter performt hat als ein breit gestreuter globaler ETF. Die Eltern weigern sich jedoch, das Produkt zu verkaufen, da sie ja schon „so viel an Gebühren investiert haben“.

Welchen Denkfehler beschreibt die Begründung der Eltern?

A: Versunkene Kosten

B: Rückschaufehler

C: Ankerheuristik

D: Bestätigungsfehler

Lösung
Richtige Antwort A: Denn die bereits gezahlten Gebühren sind versunkene Kosten.

Wenn wir für etwas Geld, Zeit oder Arbeit aufgewendet haben, sind wir häufig mental in etwas investiert. Es kann uns dann häufig schwer fallen sich davon zu lösen.

Das geht dann auf Kosten guter Entscheidungen. Da es bei (wichtigen) Entscheidungen immer darum gehen sollte, die Option auszuwählen, die den zukünftigen Nutzen maximiert. Und nicht die Option, in die wir in der Vergangenheit das meiste investiert hatten.

Frage 12: Große Anschaffungen finanzieren

Deine Eltern haben sich ein neues Auto für 60.000 EUR gekauft und finanzieren dies mit einem Zinssatz von 5 %. Gleichzeitig haben die Eltern noch 60.000 EUR auf einem Sparkonto liegen, das mit jährlich 2 % verzinst wird.

Welches Phänomen führt zu derartigen Entscheidungen?

A: Prospect Theory

B: Ankereffekt

C: Irrationale Nutzenmaximierung

D: Mentale Buchführung

Lösung
Richtige Antwort D: Mentale Buchführung.

Die Finanzierung des Autos und die Rücklagen auf dem Sparkonto laufen auf zwei separaten mentalen Konten, die jeweils separat optimiert werden.

Aus rein rationalen und Gründen, wäre es optimaler die 60.000 EUR aus dem Sparkonto für den Autokauf zu verwenden. Da die Zinsen, die wir für die Autofinanzierung der Bank schulden höher sind, als die Zinsen, die wir von der Bank aus unserem Sparguthaben erhalten.

Wie viele der 12 Fragen konntest Du richtig beantworten?

Weniger als 5 richtige Antworten:

Da ist noch Luft nach oben!

Aber keine Sorge – aus Fehlern können wir lernen. Ein solides fortgeschrittenes Finanzwissen hilft uns, bessere Entscheidungen zu treffen – sowohl an den Finanzmärkten als auch im Alltag. Also nicht entmutigen lassen, sondern dranbleiben!

5 bis 7 richtige Antworten:

Solide Leistung!

Du scheinst kein Neuling an der Börse zu sein und verstehst die Grundlagen von Investments. Hoffentlich konntest Du trotzdem ein paar neue Erkenntnisse gewinnen.

Es sieht so aus, als hättest Du Dich bereits mit dem Thema Finanzen und Geldanlage, beschäftigt. Wenn nicht, dann hast Du jetzt einen guten Anlass, tiefer einzusteigen.

Mehr als 8 richtige Antworten:

Sehr gut!

Du kennst Dich bestens an den Finanzmärkten aus und hast ein feines Gespür für Rendite und Risiko und auch kognitive Verzerrungen. Das sind hervorragende Voraussetzungen für erfolgreiche Anlageentscheidungen – weiter so!

Die Fragen sind (noch) zu schwer?

Sollten diese Fragen Dein derzeitiges Finanzwissen übersteigen, ist das kein Problem! Mache den einfachen Finanztest der OECD (Hier findest Du den Test zum Durchklicken oder hier das dazugehörige Video zum anschauen).


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Anmerkungen & Quellen


Daten und Informationen, Stand: 08.09.2024

Titelbild: Priscilla Du Preez 🇨🇦 auf Unsplash

Fragenauswahl von Behavioral Finance e.V. (2024): Quizzes. https://www.behavioral-finance.de/forschung/quizzes/

Fidelity (2024): Risiken effektiv abschätzen mit Risikomaßen. Abgerufen am 13.09.2024. https://www.fidelity.de/wissen/tipps-and-strategien/risiko-kennziffern/sharpe-ratio/

OECD (2023), “OECD/INFE 2023 International Survey of Adult Financial Literacy”, OECD Business and Finance Policy Papers, No. 39, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/56003a32-en.

ODAD (2024): OfDollarsAndData.com, Nick Maggiulli. US Stock/Bond Historical Return Calculator.

OECD (2024), “Finanzbildung in Deutschland: Finanzielle Resilienz und finanzielles Wohlergehen verbessern”, No. 43, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/c20b27ac-de.

Kruger, J., & Dunning, D. (1999). Unskilled and unaware of it: How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. Journal of Personality and Social Psychology, 77(6), 1121–1134. https://doi.org/10.1037/0022-3514.77.6.1121

Wer sich in der „ETF-Blase“ bewegt, kann schnell den Eindruck erhalten, als würden alle in ETFs investieren und die Vorteile dieser Anlageform kennen. Klar, ETFs (Exchange Traded Funds) werden häufig als einfache, kostengünstige und effiziente Möglichkeit dargestellt, um am Aktienmarkt teilzuhaben und damit langfristig Vermögen aufzubauen.

Die Realität sieht jedoch etwas anders aus. Laut einer Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) investieren nur etwa 17–18 % der Deutschen überhaupt in Aktien, und nur knapp 11 % nutzen passive Aktienfondsprodukte wie ETFs.

Die Frage liegt also nahe: Was machen die restlichen 80–90 %?

Gibt es etwa Gründe, die gegen ETFs sprechen? Oder Situationen, in denen es (noch) nicht sinnvoll ist, in ETFs zu investieren?

Rationale Gründe, die gegen ETFs sprechen

Wer sich mit langfristigen Geldanlagen beschäftigt, stößt früher oder später auch auf börsengehandelte Indexfonds, besser bekannt als ETFs. Doch obwohl ETFs oft als ideale Lösung für den Vermögensaufbau präsentiert werden, gibt es auch rationale Gründe, die dagegen sprechen – und diese sollten nicht außer Acht gelassen werden. Zum einen, zwei häufig genannte und tendenziell eher rationale Aspekte, die wir berücksichtigen sollten:

1. Anlagehorizont ist zu kurz

Wer in naher Zukunft größere Anschaffungen plant, dann könnte ein ETF-Investment nicht die beste Wahl sein.

Muss beispielsweise für eine Immobilie angespart oder eine bereits vorhandene Immobilie renoviert werden? Vielleicht steht der Kauf eines neuen Autos an, da das alte bald ausgedient hat.

In solchen Fällen gilt es zu priorisieren: Wenn das Einkommen nicht ausreicht, um sowohl zu investieren als auch für diese Anschaffungen zu sparen, sollte besser die Finger von ETFs lassen.

Denn eine gängige Faustregel besagt, dass man mindestens 15 Jahre auf das investierte Geld verzichten können sollte, um langfristig erfolgreich in Aktien-ETFs zu investieren. Also die Verlustwahrscheinlichkeit minimiert. Nur bei einem langfristigen Anlagehorizont sind die Schwankungen des Marktes besser zu verkraften.

2. Das finanzielle Fundament fehlt

Bevor man in ETFs investiert, sollte das finanzielle Fundament solide sein. Das bedeutet:

  • Schuldenabbau: Wer noch teure Schulden hat, sollte diese zuerst tilgen, bevor er in ETFs investiert. Die Renditen von ETFs sind nicht so verlässlich wie die Zinsen, die auf Schulden gezahlt werden müssen. Es ergibt also finanziell wenig Sinn, Schulden zu tragen und gleichzeitig in ETFs zu investieren.
  • Rücklagen aufbauen: Ein Notfallpolster ist unverzichtbar, um unerwartete Ausgaben sofort decken zu können, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen. Erst wenn dieser Sicherheitsbaustein steht, sollte man risikoreichere Anlageklassen wie Aktien-ETFs in Betracht ziehen.
  • Ausreichende Sparrate: Schließlich sollten sichergestellt werden, dass eine regelmäßige Sparrate vorhanden, die es ermöglicht, regelmäßig in ETFs zu investieren. Ohne Sparrate oder mit zusätzlichen Schulden ein ETF-Investment zu beginnen, kann unnötige finanzielle Risiken mit sich bringen.

Emotionale Faktoren, die häufig unterschätzt werden

Auch wenn rationale Argumente gegen ETFs, nicht zutreffen sollten, können ETFs dennoch ungeeignet sein – und das aus emotionalen Gründen. Diese Aspekte werden oft unterschätzt oder vergessen, spielen aber eine entscheidende Rolle bei der Geldanlage.

1. Schwankende Kurse machen Dich nervös

ETFs, selbst wenn diese einen breit gestreuten globalen Index abbilden, können starken Schwankungen unterliegen. Tägliche Kursbewegungen von mehreren Prozentpunkten und monatliche oder jährliche Verluste von 10 % bis 20 % sind keine Seltenheit. Es kann sogar Jahre geben, in denen sich die Gesamtrendite kaum bewegt, und das Auf und Ab der Kurse gehört zur Normalität.

Eine Herausforderung, der wir unterliegen, ist die ständige Verfügbarkeit der Wertpapierkurse in Online-Banking-Apps. Wir sehen die Entwicklung unseres Portfolios in Echtzeit – Buchgewinne und -Verluste sind schnell zu erkennen, was unsere emotionale Belastung verstärken kann. Wenn wir beispielsweise 10.000 EUR in ETFs investiert haben, können temporäre Verluste von 100 bis 500 EUR (1 % – 5 %) normal sein.

Nicht jeder kann diese Schwankungen aushalten, und das muss auch nicht sein. Für manche sind dann vielleicht weniger liquide – oder nicht täglich bepreiste Anlageklassen besser geeignet.

Ein Beispiel für eine solche Anlageklasse sind Immobilien. Es gibt keine täglichen Kursbewegungen, und selbst bei einem theoretischen Wertverlust von 10 % (beispielsweise ermittelt über Immobilienportale durch Vergleich im Umkreis mit ähnlichen Immobilien) würden die wenigsten ihre Immobilie sofort verkaufen, da der Verkaufsprozess langwieriger und teurer ist als bei liquiden Finanzprodukten wie ETFs.

Tipp: Wenn Du dennoch mit ETFs investieren möchtest, aber noch nicht emotional darauf vorbereitet bist, kann es helfen, mit kleineren Beträgen anzufangen. Viele erfahrene Anleger berichten, dass sie mit der Zeit weniger in ihr Depot schauen – was wahrscheinlich auch besser ist, da ETFs langfristig gesehen werden sollten.

2. Das „langweilige“ Investment oder „durchschnittliche“ Rendite ist Dir zu wenig

ETFs sind auf langfristigen Vermögensaufbau ausgelegt. Wer in breit gestreute Aktien-ETFs investiert, sollte je nach Zeitraum, Index und unter Berücksichtigung von Inflation und Steuern höchstens mit einer Rendite von etwa 6 % pro Jahr „rechnen“.

Und hier beginnt häufig der mentale Konflikt.

Wir hören von Freunden oder lesen in Medien über beeindruckende Renditen aus anderen Anlageformen, die beispielsweise mehr als 20 % Rendite erzielten. Sei es durch Kryptowährungen, Einzelaktien oder riskante Finanzprodukte. Solche Erfolgsgeschichten können ein nicht positives Gefühl verstärken, mit ETFs „nur Durchschnitt“ zu erreichen. Obwohl häufig völlig unbekannt bleibt, wie diese Rendite zustande gekommen ist und welche Faktoren mit – oder auch nicht – berücksichtigt wurden. Also in welchem Zeitraum wurde diese Rendite erreicht und wurden (Transaktions-)Kosten oder Inflation (wenn über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte) mit einkalkuliert?

Wenn wir diesen Reizen nicht widerstehen können und das Bedürfnis haben, ständig nach höheren Renditen zu streben, sind ETFs möglicherweise nicht das richtige Instrument.

Meine Gegenargumente zu diesem Zwang nach mehr“:

  1. Survivorship Bias: Erfolgsberichte sind oft Einzelfälle, während die vielen Misserfolge selten erwähnt werden. Die Wahrscheinlichkeit, selbst diese außergewöhnlichen Erfolge zu erzielen, wird daher systematisch überschätzt.
  2. Daten: Die Datenlage, dass langfristig und verlässlich eine höhere Rendite als „der Durchschnitt“ erreicht wird, ist sehr dünn. Selbst nur wenige Fondsmanager schaffen es ihre Benchmarks zu schlagen, obwohl sich diese täglich damit auseinandersetzen und dafür häufig sehr gut bezahlt werden.
  3. Langfristiger Durchschnitt: Es ist völlig in Ordnung, wenn eine Geldanlage „langweilig“ und durchschnittlich ist. Langfristiger Vermögensaufbau mit ETFs erlaubt es, nebenbei das Leben zu genießen, Hobbys nachzugehen oder berufliche Ziele zu verfolgen. Ein Sparplan mit ETFs ermöglicht eine langfristige finanzielle Vorsorge. Und nach 15, 25 oder 35 Jahren können wir dann hoffentlich zufrieden auf ein stetig gewachsenes Vermögen schauen und glücklich zurückblicken – ganz ohne unnötigen Stress oder übermäßige Risiken.

Fazit: Sind ETFs, die richtige Wahl für Dich?

Was bleibt zum Schluss?

Meiner Meinung und Erfahrung nach – und auch die von anerkannten und unabhängigen Experten – sind ETFs eine hervorragende Form der Geldanlage für Privatanleger. Vorausgesetzt, wir erfüllen bestimmte Voraussetzungen und bringen einen langen Atem sowie eine gewisse emotionale Belastbarkeit mit.

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch einige berechtigte Argumente, die gegen ETFs sprechen:

  1. Argumente gegen ETFs, die gleichzeitig gegen die Anlageklasse Aktien sprechen:
    • Anlagehorizont zu kurz: Wenn das Geld in absehbarer Zeit benötigt wird, sind Aktien und ETFs meist keine gute Wahl.
    • Schwankende Kurse machen Dich nervös: Starke Kursbewegungen gehören zur Natur von Aktien, und wer damit nicht umgehen kann, sollte lieber andere Anlageformen wählen.
    • Hohe Liquidität passt nicht zur Risikofähigkeit: Die Möglichkeit, jederzeit auf das investierte Geld zugreifen zu können, verleitet manche dazu, in schlechten Phasen zu verkaufen – oft leider erst rückblickend zum falschen Zeitpunkt.
  2. Argumente, die für Aktien, aber gegen ETFs sprechen:
    • Du möchtest den Markt schlagen: Wenn Du glaubst, dass Du mit Einzelaktien oder aktiv gemanagten Fonds den Markt outperformen kannst, könnten ETFs zu „durchschnittlich“ für Dich sein. Allerdings solltest Du die meist höheren Gebühren von aktiven Fonds nicht unterschätzen, die langfristig Deine Rendite schmälern können.

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Anmerkungen & Quellen


Daten und Informationen, Stand: 02.09.2024

Titelbild: John Matychuk auf Unsplash

Fleißig und produktiv – das ist das, was Deutsche bestimmt gerne über sich gelesen und gehört haben. Wie aber steht es heute tatsächlich mit der Arbeitsmoral? Ist Deutschland etwa fauler als früher?

Ich bin kürzlich über diverse Artikel gestoßen, in der es um die scheinbar mittlerweile schlechte Arbeitsmoral in Deutschland geht. Wesentliche Argumente gingen meist folgendermaßen:

Wenn es um die Durchschnittliche jährliche Arbeitszeiten geht, ist Deutschland im Vergleich mit OECD-Ländern Schlusslicht. Und auch der Trend scheint nicht besonders gut zu sein. Seit den letzten 30 Jahren wird in Deutschland durchschnittlich immer weniger gearbeitet.

Auch die unproduktiven Tage, welche durch Krankheit verloren gehen, sind seit Mitte der 2000er durchschnittlich angestiegen. Im Jahr 2023 waren es durchschnittlich 15 Tage, die Arbeitende aufgrund von Krankheit nicht arbeitsfähig war. Ist Deutschland damit buchstäblich, der kranke Mann Europas?

So weit das pessimistische Bild in Deutschland! Aber steht es wirklich so schlecht um die Arbeitsmoral? Haben die Deutschen etwa ihren berühmten Fleiß verloren? Oder zeigen die Daten ein verzerrtes Bild und das Narrativ müsste eigentlich anders lauten?

Warum brauchen wir überhaupt mehr Arbeitsstunden?

Warum ist unsere geleistete Arbeit überhaupt so wichtig? Im Grunde geht die logische Reihenfolge vereinfacht meist folgendermaßen:

Für Wohlstand im ökonomischen Sinne, benötigt es Arbeitsleistung, die eine Gesellschaft durch Erbringung von Dienstleistungen oder Produktion von Gütern erbringt. Höherer Wohlstand bedeutet mehr Einkommen für die Privathaushalte. Heißt, aber auch umgedreht wie es das IW Köln oder RND schreiben:

Weniger Arbeit bedeutet, dass weniger Güter hergestellt und Dienstleistungen angeboten werden. Also weniger Konsum, aber auch weniger Geld für die Umverteilung, das Rentensystem und auch die Wirtschaft.

Und jetzt heißt es, dass in Deutschland zu wenig gearbeitet wird – also der Wohlstand in Gefahr ist?

In Deutschland wird – im Vergleich mit den übrigen OECD-Ländern – durchschnittlich am wenigsten pro Jahr gearbeitet. Auch im Vergleich mit den EU-Ländern sieht es nicht viel besser aus.

In der EU wird durchschnittlich rund 1570 Stunden pro Jahr gearbeitet. Dennoch sind es in Deutschland 15 % weniger als im EU-Durchschnitt. Deutschland ist damit immer noch Schlusslicht. Spitzenreiter ist übrigens Griechenland mit durchschnittlich fast 1900 Stunden pro Jahr.

Auch die Entwicklung der letzten 30 Jahre sieht für Deutschland nicht besonders vorteilhaft aus. Deutschland hat heute über 15 % weniger durchschnittliche Arbeitszeit pro Jahr als noch vor 30 Jahren.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern steht Deutschland also nicht besonders gut da, was die Arbeitsstunden betrifft.

Aber ist es wirklich so einfach? Oder gibt es vielleicht noch andere Faktoren, die solche Resultate hervorbringen?

Wie sieht die Realität aus – geht die Arbeitsmoral in Deutschland verloren?

Teilzeitquote

Ein wichtiger Faktor von Durchschnittswerten – und damit auch bei den jährlichen Arbeitsstunden – ist die Grundgesamtheit. Die Grundgesamtheit der Beschäftigten setzt sich aus Vollzeit und Teilzeitbeschäftigten zusammen.

Beispiel:

  • 2x Personen 40h pro Woche = 40h durchschnittliche Wochenarbeitszeit
  • 2x Personen 40h + 1x Person Teilzeit bspw. 20h = 33h durchschnittliche Wochenarbeitszeit

Denn, KEINE Arbeit zählt nicht in die Berechnung

Fairerweise, die OECD weist auf die beschränkte Vergleichbarkeit der Daten zwischen verschiedenen Ländern hin. Wird das gerne überlesen?

In Deutschland steigt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten seit 30 Jahren an. Im Jahr 2023 haben laut dem Statistischen Bundesamt 31 % der Angestellten in Teilzeit gearbeitet. In den 90ern waren es rund 15 %, bei gleichzeitig fast konstant gebliebener Vollzeitbeschäftigung. Im Vergleich mit anderen Ländern ist Deutschland damit an der Spitze, nur in den Niederlanden, der Schweiz und in Österreich gibt es in Europa noch höhere Teilzeitquoten als in Deutschland. Das europäische Mittel liegt bei unter 20 %.

Bedeutet: Die Teilzeitquote in Deutschland ist so hoch wie nie – und höher als in den meisten europäischen Ländern. Unter anderem deshalb scheint die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Deutschland im OECD Vergleich so niedrig.

Frauen-Arbeitsquote (Erwerbsquote Mann vs. Frau)

Ein wichtiger Teil der Teilzeitarbeitenden sind Frauen. In den letzten 30 Jahren ist der Anteil erwerbstätiger Frauen deutlich angestiegen. In den 90er Jahren waren rund 55 % der Frauen erwerbstätig, heute sind es dagegen mehr als 70 %.

Schaut man sich den geschlechterspezifischen Anteil an Teilzeitbeschäftigungen in Europa an, liegt Deutschland mit einem der höchsten Anteile an teilzeitbeschäftigten Frauen vorne. Fast 50 % der erwerbstätigen Frauen in Deutschland arbeiten in Teilzeit. Nur in den Niederlanden, der Schweiz und Österreich sind die Anteile noch höher.

Der EU-Durchschnitt liegt bei weniger als 30 %.

Man könnte dies als problematisch ansehen und argumentieren, dass die Teilzeitquote bei Männern insgesamt zu niedrig ist. Aber wenn es um produktive Arbeit im ökonomischen Sinne geht, ist es wichtig, dass insgesamt mehr Anteile der Bevölkerung – unabhängig vom Geschlecht – einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Arbeitsvolumen – wird mehr oder weniger gearbeitet?

Wir sehen deutlich: In den letzten 30 Jahren ist die absolute Anzahl der Menschen, die in Deutschland arbeiten, deutlich angestiegen – um fast 20 % seit Anfang der 1990er Jahre. Von rund 37 Millionen im Jahr 1990 auf fast 46 Millionen Personen im Jahr 2023.

Gleichzeitig nimmt die Anzahl der erwerbsfähigen Personen aufgrund der demografischen Entwicklung jedoch langsam, aber stetig ab.

Produktivität – wird effizient gearbeitet?

Die Realität ist also, dass seit 30 Jahren immer mehr gearbeitet wird. Also mehr Personen im erwerbsfähigen Alter arbeiten, unabhängig vom Geschlecht. Auch wenn die Summe der Arbeitsstunden, die jährlich geleistet werden, eher konstant geblieben sind.

Die Anzahl der Arbeitsstunden ist ja eine Sache, die Qualität der Arbeit eine andere: Also die produktive Arbeit in Euro je Zeiteinheit, die ja auch ein wichtiger Teil der Gleichung ist.

Auch wenn die durchschnittlich wöchentliche Arbeisstunden der Vollzeitbeschäftigten gesunken ist, muss sich das nicht unbedingt negativ auf unsere Produktivität auswirken.

Vor allem in mental anspruchsvollen Bürojobs, ist es kaum möglich 8 Stunden durchgängig effektiv zu arbeiten. Der Rest der Zeit wird beispielsweise mit Pausen, Kaffee, Gesprächen gefüllt – die zwar auch wichtig für andere Ansichten und Perspektiven sein können, die wir wiederum für unsere Arbeitsergebnisse brauchen können.

Aber dennoch, wenn wir 2 Stunden länger arbeiten, heißt das nicht unbedingt, dass diese Zeit effektiv genutzt wird – und 2h mehr Produktivität herausquetscht wird.

Realität ist, dass die Produktivität je Erwerbstätigenstunde in den letzten Jahrzehnten angestiegen ist.

Und auch im internationalen Vergleich ist Deutschland eher führend bezüglich Produktivität in Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde. Im Vergleich mit anderen EU Ländern hat beispielsweise nur Norwegen eine ähnlich niedrige jährliche durchschnittliche Arbeitszeit, aber gleichzeitig eine höhere Produktivität – also erreicht ein höheres BIP je geleistete Arbeitszeit.

Bedeutet zusammengefasst: In Deutschland wird heutzutage mindestens genauso gut oder sogar effizienter gearbeitet – und nicht andersrum.

Fazit

Zum Schluss noch ein paar allgemeine Gedanken zum Thema: Auch wenn die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Deutschland seit Jahren sinkt, sind auch andere Faktoren dafür verantwortlich. Und diese Faktoren werfen nicht nur ein negatives Bild auf die Arbeitsmoral in Deutschland.

Es ist deshalb wichtig, genau hinzuschauen, zu hinterfragen und sich nicht nur auf einfache Durchschnittswerte zu verlassen.

Plus, noch ein etwas anderer Blickwinkel – auch wenn es nur ein subjektives, anekdotisches Gefühl ist: Es scheint, als würden die Leute sogar eher mehr arbeiten als früher. Dabei sollten jedoch zwei wichtige Einschränkungen beachtet werden:

  1. Ich befinde mich möglicherweise in einem Alter, in dem die maximale Leistung und Karriere angestrebt wird.
  2. Vor allem im akademischen Umfeld, wo häufig außertarifliche Verträge oder Vertrauensarbeitszeit üblich sind, wird tendenziell mehr als die vertraglich festgelegte Wochenarbeitszeit gearbeitet.

Fairerweise, das Verhältnis von Zeit zu Leistung oder was wirklich nötig ist an Arbeitszeit, lässt sich nur schwer messen. Denn nur weil jemand davon berichtet, dass er bis 19 oder 20 Uhr im Büro ist, bedeutet das nicht, dass er produktiv arbeitet. Stichwort: Absitzen vs. produktives Arbeiten – in der Realität ist das alles nur schwer messbar.

Wie auch immer die Daten zur Arbeitszeitrealität aussehen mögen, laut einer Auswertung des IW Köln besteht in weiten Teilen der Bevölkerung anscheinend der Wunsch nach weniger Arbeitszeit, sprich nach mehr Freizeit.


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Anmerkungen & Quellen


Daten und Informationen, Stand: 10.05.2024

Titelbild: Priscilla Du Preez auf Unsplash

Früher dachte ich, dass es ab dem 40. Lebensjahr sinnvoll wäre, einen kleinen Teil meines Portfolios in Anleihen anzulegen.

Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob diese Strategie wirklich zu mir passt.

Ein bekannter Ratschlag für langfristige Anleger besagt, dass wir mit zunehmendem Alter unseren Aktienanteil reduzieren und Anleihen beimischen sollten, oder ob Anleihen überhaupt ins Portfolio gehören. Eine neue Forschungsarbeit kommt zu einem etwas anderen Schluss, zumindest unter bestimmten Voraussetzungen.

Die traditionelle Empfehlung für langfristige Anleger

Wenn es um die Portfoliozusammenstellung geht, haben sich verschiedene Theorien und Varianten etabliert, die sich je nach Lebensphase oder Verlauf leicht unterscheiden.

Die meisten Portfoliovorschläge beinhalten einen Mix aus Aktien und Anleihen. Häufig wird beispielsweise von konservativen oder risikofreudigeren Varianten gesprochen. Das wird dann beispielsweise als „defensives Portfolio“ für Vorsichtige bezeichnet und enthält beispielsweise 25 % Aktien und 75 % Anleihen. Das Gegenstück dazu sind die „offensiven Portfolios“, bei denen es umgekehrt ist: 25 % Anleihen und 75 % Aktien.

Es gibt auch etablierte Faustregeln, die beispielsweise besagen, dass 100 minus dem Alter den Aktienanteil im Portfolio ergibt. Für 30-Jährige würde es beispielsweise bedeuten, dass 70 % des Portfolios aus Aktien bestehen sollten und 30 % aus Anleihen.

Eins haben diese Portfoliovorschläge meist gemeinsam: Mit höherem Alter wird der Anleihenanteil erhöht.

Risiko-Rendite-Verhältnis neu betrachtet: Aktien vs. Anleihen

Aber warum ist die Aufteilung in Aktien und Anleihen so beliebt in der Vermögensallokation?

Vereinfacht wird zwischen Risiko-Rendite-Verhältnissen unterschieden.

Aktien werden beispielsweise als viel risikoreicher betrachtet, da die zugrunde liegenden Schwankungen viel höher sind als bei anderen Anlageklassen. Was wir am Aktienkurs gut verfolgen können und uns auch gut vorstellen können.

Anleihen dagegen werden meist als weniger risikoreich bzw. risikoärmer angesehen, da wir mit Anleihen historisch weniger starke Schwankungen beobachten konnten.

Diese Schwankung des Vermögens ist auch die zugrunde liegende Annahme hinter der bliebten Portfolioaufteilung in Aktien und Anleihen. Wir gleichen mit Anleihen im Portfolio, die kurzfristigen Schwankungen der Aktien aus.

Und mit höherem Alter soll das Portfoliovermögen noch weniger Schanwankungen unterliegen und deshalb der Anleihenanteil immer weiter erhöht werden, was ja durchaus sinnvoll klingt. Wer will schon im hohen Alter, wenn es beispielsweise um den Verzehr des Vermögens in der Rentenphase geht, dass ein Portfolio kurzfristig um 50 % abstürzt?

Aber fairerweise könnte es uns vielleicht auch egal sein, je nachdem, wie lang unsere Lebenserwartung ist und wie hoch unser Vermögen ist. Plus, was immer gerne unterschlagen wird: Wir müssen ja auch nicht alles zu diesem theoretischen Crash ausgeben, sondern könnten auch die kurzfristigen -50% im Portfolio „aussitzen“.

Vielleicht sollten wir unser Portfoliorisiko danach ausrichten, ob wir unser erwartetes Gesamtvermögen erreichen können, und vielleicht gar nicht, wie stark unsere Vermögenswerte schwanken?

Anleihen im Portfolio: Überbewertet oder unverzichtbar?

Aber was ist jetzt besser für langfristige Anleger? Ein Portfolio aus Aktien und Anleihen, also eine Mischung von verschiedenen Risikoprofilen? Oder sind Anleihen gar nicht nötig?

Eine neue Arbeit aus den USA kommt zu dem Schluss, dass Anleihen möglicherweise nicht notwendig sind, selbst im fortgeschrittenen Rentenalter. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass international diversifiziert wird.

Für die Untersuchung wurden verschiedene Anlagestrategien bzw. Vermögensallokationen herangezogen und miteinander verglichen. Von reinen Aktienstrategien bis zu reinen Anleihestrategien, über Zwischenstufen, also ein Mix aus Anleihen und Aktien, und ein Mix aus internationalen und lokalen Aktien.

Um herauszufinden, was optimal für die Vermögensbildung, die Konsumfähigkeit im hohen Alter und insgesamt das Nettovermögen im hohen Alter ist.

Dazu haben die Forscher historische Renditedaten ausgewertet und dann simuliert. Das ergab insgesamt mehr als eine Million Renditeszenarien aus nationalen und internationalen Aktien, Unternehmensanleihen und Staatsanleihen – insgesamt 38 Industrieländern im Zeitraum von 1890 bis 2019.

Diese Datengrundlage wurde als Basis herangezogen, um den Lebensverlauf eines US-amerikanischen Paares zu simulieren. Ein Paar, das mit 25 Jahren beginnt zu sparen und nach 40 Jahren mit 65 in Rente geht. Während der Sparphase wird 10 % des Einkommens gespart und investiert, was zur Vermögensbildung angelegt wird. Während der Rentenphase wird jährlich 4 % vom Vermögensportfolio ausgegeben, wobei zusätzlich noch staatliche Rentenansprüche („Social Security Benefits“) berücksichtigt wurden.

Simulationsergebnisse: Internationale Diversifikation ist wichtig

Und jetzt das doch etwas überraschende Ergebnis für US-Anleger: Eine optimale Portfolioaufteilung ergab sich aus 50 % US-Aktien und 50 % internationalen Aktien, also gar keine Anleihen.

Für Nicht-US-Anleger gab es eine leichte Verbesserung der untersuchten Faktoren einer Portfolioaufteilung von 35 % lokalen Aktien und 65 % internationalen Aktien während der gesamten Lebensphase. Unter lokalen Aktien können im Modell der Autoren Aktien aus der lokalen Währung verstanden werden. Für Anleger aus Europa beispielsweise würde das bedeuten, 35 % Aktien aus dem Euroraum und 65 % internationale Aktien zu halten.

Langfristige Vermögensbildung ohne Anleihen: Eine realistische Option?

Und das ist nicht die einzige überraschende Erkenntnis: Selbst ein kleiner Anteil Anleihen im Portfolio bringt keine besseren Ergebnisse in der Simulation. Auch wenn Anleihen zwar weniger stark schwanken als Aktien, hatten Anleihen langfristig ein höheres Verlustrisiko. Und zwar für unsere Kaufkraft. Und auch nach einem Börsencrash erholten sich Anleihen nicht so gut wie Aktien.

Man könnte also fast sagen, dass Anleihen langfristig in Bezug auf unsere Gesamtrendite riskanter sind als Aktien.

Was aber nicht heißt, dass Aktien sicherer sind. Auch wenn das alles danach klingt, dass ein reines Aktienportfolio optimal sei.

Es gibt auch einen Haken. Ein Autor der Studie wurde in einem Bloomberg-Artikel folgendermaßen zitiert: „Solange Aktienanleger in der Lage sind durchzuhalten, sind sie am Ende mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit besser dran als jemand, der versucht, die kurzfristigen Schwankungen mit Anleihen auszugleichen.“

„In der Lage sein durchzuhalten“, klingt so einfach. Aber dieser psychologische Effekt, die großen Schwankungen durchzustehen, was vor allem im Ruhestand mental wahrscheinlich nicht immer einfach zu verkraften ist, wenn nicht mehr regelmäßige Einkommen die Regel sind.

Wie viel Schwankung wir ertragen können, ist jedoch höchst individuell und nur schwer messbar. Denn unsere Risikotoleranz hängt unter anderem von unseren bisherigen Erfahrungen ab – also wie viel wir jemals ertragen mussten und wie viel Vermögen wir zu diesem Zeitpunkt hatten.

Langfristige Renditeperspektiven: Aktien vs. Anleihen

Nichtsdestotrotz ist es schön zu sehen, dass ein reines Aktienportfolio auch langfristig über eine gesamte Lebensphase gute Resultate erzielen kann. Dennoch, einen Preis müssen wir dafür zahlen: hohe Buchverluste, die zwar nicht realisiert werden müssen, aber häufig dazu führen, dass Anleger schlechtere Renditen erzielen als einfache Indizes.

Heißt das jetzt also, dass wir unsere Anleihen sofort verkaufen sollten oder besser gar keine kaufen sollten, wenn wir noch keine haben?

Die Arbeit der Autoren wurde zwar bisher positiv aufgenommen und eingeordnet. Wie repräsentativ die Daten für die Zukunft sind wissen wir nicht.

Plus: Nicht jeder möchte mit regelmäßig hohen Verlusten leben, sondern lieber „nachts besser schlafen können“ und dafür ein bisschen weniger Vermögen aufbauen. Was ja vollkommen okay ist.

Die Jagd nach jedem Prozentpunkt Rendite wird manchmal ein bisschen übertrieben und zu sehr auf die Spitze getrieben.

Aber selbst wer dann eine der gezeigten Strategien mit Anleihen verfolgt und vielleicht auch im Alter den Anleihenanteil erhöhen möchte, muss auch daran denken, diesen in regelmäßigen Abständen zu erhöhen. Und das ist mit einer einfachen Aktienstrategie weniger nötig.

Neue Perspektiven für die Vermögensallokation: Aktien, Anleihen und individuelle Risikotoleranz

Was sollten Anleger aus den neuen Erkenntnissen für die eigene Vermögensaufteilung mitnehmen?

Ich glaube, für Anleger, die einen lebenslangen Anlagehorizont haben, ist es wichtig zu verstehen, dass die Portfolio-Schwankung nicht die einzige Risikokennzahl sein muss.

Aber bei risikoreicheren Anlagen, und dazu zählen auch Aktien, müssen wir große Verluste hinnehmen können, auch wenn es nur Buchverluste sind.

Schlussendlich sollten wir uns mit unserem Portfolio wohlfühlen, ob mit oder ohne Anleihen. Auch wenn wir nie sicher wissen, wie das Ergebnis in der Zukunft aussehen wird.


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Anmerkungen & Quellen


Daten und Informationen, Stand: 08.02.2024

Titelbild: Brandi Redd auf Unsplash

Das Investement (2017): Erster Robo-Advisor macht Lebenszyklusfonds Konkurrenz.

comdirect Magazin (2022): Geldanlage: Was ist eine Asset Allocation?

Money Group (2018): This is How Much Money You Should Have in Stocks — at Every Age.

Anarkulova, A., Cederburg, S., & O’Doherty, M. S. (2023). Beyond the Status Quo: A Critical Assessment of Lifecycle Investment Advice. Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4590406

Rational Reminder (2023): Episode 284: Prof. Scott Cederburg: Challenging the Status Quo on Lifecycle Asset Allocation.

Bloomberg, Lu Wang (2023): You’re Better Off Going All In on Stocks Than Bonds, New Research Finds.

Dalbar’s Quantitative Analysis of Investor Behavior report (QAIB).

Rational Reminder Podcast (2023): Episode 281. https://rationalreminder.ca/podcast/281

Rational Reminder Podcast (2023): Episode 284. https://rationalreminder.ca/podcast/284

Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir nicht ständig in unser Portfolio schauen sollten.

Unter dem Jahr interessiert mich die Performance nicht. Ich kann und möchte sowieso nichts ändern. Aber einmal im Jahr schaue ich mir an, wie alles lief. Was haben die großen Indizes gemacht? Wie war die Performance im Vergleich zu den Vorjahren? Und was berichten die großen Finanzhäuser über das kommende Jahr bzw. was erwarten sie?

Stimmt meine Annahme bzw. mein vorhandenes Verständnis, dass Prognosen sowieso nichts bringen?

Rückblick 2023: ETF-Zuflüsse und Indexp​erformance

Im Jahr 2023 gab es sehr viel Positives, zum Beispiel für ETF-Anbieter.

Die Entwicklung der Zuflüsse in Aktienfonds und ETFs von Januar bis November war ermutigend. Monatlich gab es mehr Zuflüsse als Abflüsse in Aktien-ETFs, während bei den aktiven Aktienfonds bis auf Januar und Februar durchweg Abflüsse zu verzeichnen waren. Es floss also mehr Geld in ETFs als in aktive Aktienfonds, auch im Jahr 2023. Auch für uns Anleger gab es viel Positives. Wenn wir uns beispielsweise die Performance der großen Indizes anschauen, haben globale Indizes wie der All Country World Index, der FTSE All-World oder der MSCI World fast eine Rendite von 20 % im Jahr 2023 erreicht. Auch der S&P 500 oder der Stoxx Europe 600 waren deutlich überdurchschnittlich.

Aber wichtig ist zu beachten, dass diese Renditekennzahlen sich nur auf den Index beziehen, nicht den ETF.

Der ETF kann und wird normalerweise davon abweichen. Zumindest gibt es den Nachbildungsfehler, der sowohl positiv als auch negativ sein kann, und die Kosten, die sich für gewöhnlich negativ auf unsere Rendite auswirkt.

Für Privatanleger, die im Jahr 2023 investiert waren, lief das Jahr auch überdurchschnittlich gut, besonders im Vergleich zu den Vorjahren.

Wenn wir uns beispielsweise den Vergleich des MSCI World anschauen, sehen wir deutlich, dass das Jahr 2023 besonders gut war. Die durchschnittliche Rendite des MSCI World Net Return Index lag nur bei 9 %. Wenn wir das letzte Jahr bei fast 20 % waren, waren wir fast 10 % Punkte über dem Durchschnitt. Und wenn wir uns weltweit länderspezifische Renditen anschauen, sah es auch ziemlich gut aus, vor allem in den großen Industrieländern. Aber es gab auch Ausnahmen, negative Ausreißer, beispielsweise in China, Hongkong, Thailand und auch Finnland.

Vergleich mit den Profis und Prognosen für 2024

Im Vergleich dazu, wie haben Hedgefonds beispielsweise letztes Jahr abgeschnitten?

Die Mehrzahl der Hedgefonds hat 2023 nicht die großen Indizes übertroffen. Auch bei den aktiven Fonds sah es 2023 ähnlich aus.

Zum Vergleich ist es vielleicht ganz schön zu sehen, dass es mit einfachen Produkten möglich ist, gute Renditen zu erreichen.

Bezüglich der Prognosen für 2024 veröffentlichen Finanzhäuser immer um die Jahreswende ihre sogenannten Marktausblicke, also Vorhersagen und Prognosen über die nächsten 12 Monate. Und diese Prognosen oder Ausblicke werden dann gerne auch von Journalisten und Medienhäusern aufgegriffen und in Artikeln veröffentlicht.

Und das wiederholt sich jährlich, obwohl doch eigentlich alle wissen, dass Prognosen nicht mehr als ein Schuss ins Blaue sind.

Oder warum sollten wir diese Prognosen besser vollständig ignorieren oder zumindest vorsichtig sein, wenn solche zitiert werden oder Aussagen darüber getroffen werden?

Auch wenn es manchmal so verlockend sein kann.

Die nicht informierten Anleger haben wahrscheinlich eher das Nachsehen, wenn zu viel auf diese Prognosen gegeben wird. Für 2024 haben alle großen Häuser ihre Marktausblicke wieder veröffentlicht.

Wie so ein Marktausblick aussieht, sehen wir hier am Beispiel von Goldman Sachs. Es werden verschiedene Faktoren prognostiziert, also eine Vielzahl ökonomischer Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt, die Arbeitslosigkeit, die Inflation, aber auch die Rendite von bestimmten Anlageklassen, also von Anleihen, Rohstoffen, Währungsschwankungen. Auch für spezifische Aktienmärkte werden sogenannte Punktprognosen erstellt, quantitative Aussagen über einen Wert in der Zukunft. Also beispielsweise, dass ein bestimmter Index wie der MSCI World zu einem bestimmten Zeitpunkt (bspw. Ende 2024) oder in einem bestimmten Zeitraum (bspw. in 12 Monaten), einen bestimmten Wert erreichen wird.

Wenn wir uns die Prognosen für das letzte Jahr 2023 anschauen, also eine Art einfaches Backtesting machen. In der Abbildung die Prognosen für 2023 verschiedener Wall-Street-Banken und im Vergleich die tatsächliche Performance 2023 für den S&P 500.

Ende 2022 stand der S&P 500 bei rund 3900 Punkten und Ende 2023 bei rund 4780 Punkten, also eine Entwicklung von mehr als 20 %. Und jetzt die Prognosen der Wall-Street-Banken zum Vergleich. Keine der gezeigten Banken hat das tatsächliche Level prognostizieren können.

Das tatsächliche Jahresendlevel lag durchschnittlich 20 % höher als von den Banken prognostiziert wurde.

Klar, man könnte sagen, 2023 war vielleicht ein Ausreißerjahr, denn 2022 haben die Aktienmärkte fast durchweg größere Verluste hinnehmen müssen.

Tatsächlich sah es aber auch die Jahre zuvor nicht wirklich besser aus. Wenn wir uns hier noch als Beispiel die S&P 500 Prognosen der Banken vom Jahr 2000 bis 2014 anschauen, also rund 15 Jahre Vergleich Prognose versus tatsächliche Performance zum Ende eines Jahres.

Wir sehen auf den ersten Blick, dass die Prognosen zumindest durchschnittlich deutlich danebenlagen.

Und ganz konkret in Zahlen: Durchschnittlich lagen die Bankenprognosen 14 Prozentpunkte daneben über 15 Jahre. Auch wenn wir das Jahr 2008 herausrechnen, was ja gerne als unvorhergesehenes Ereignis gesehen wird, ist das Ergebnis, dass die Banken mit ihren Prognosen noch 12 Prozentpunkte danebenlagen.

Wie verlässlich sind Prognosen? Fazit und Ausblick

Die Wissenschaft hat auch schon untersucht, ob Prognosen funktionieren – also wir uns darauf verlassen können oder besser ignorieren sollten.

Die Kurzversion dessen, was die Autoren herausfanden, lautet: Keine der professionellen Prognosen war genauer als eine einfache Vorhersage aus dem Durchschnitt der Vergangenheit.

Experten, die sich also beruflich mit Prognosen oder den Finanzen ihres Arbeitgebers beschäftigen, schaffen es nicht, eine einfache und fast schon naive Durchschnittsrendite, die aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert wird, zu schlagen. Warum also sollten wir uns auf Börsenprognosen verlassen?

Auch für das kommende Jahr bleibt eine Unbekannte an der Börse. Denn aus der jetzigen Perspektive ist es uns völlig unbekannt, wie die Stimmung in 12 Monaten sein wird. Egal, was wir heute messen und als Prognose oder Outlook veröffentlichen, in einem Jahr haben wir es oder können wir es wahrscheinlich wieder vergessen.

Deshalb haben die Prognoseexperten vielleicht auch so eine schlechte Bilanz, vielleicht auch zurecht.

Für mich persönlich soll für 2024 alles gleich bleiben – hoffentlich auch noch darüber hinaus: Einfach weiter dauerhaft und regelmäßig in breit diversifizierte und liquide Vermögenswerte investieren, kaufen und liegen lassen. Ganz einfach.

Und dann schaue ich in 12 Monaten wieder, wie sich die Märkte entwickelt haben und auch, welche Prognosen für das nächste Jahr dann wieder erstellt werden.

Vielleicht gibt es ja dieses Mal sogar positive Überraschungen.


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Daten und Informationen, Stand: 18.01.2024

Titelbild: Chris Liverani auf Unsplash

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