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  • Wie gut kennst Du Dich wirklich mit Finanzen aus?

    Wie gut kennst Du Dich wirklich mit Finanzen aus?

    Geld erfolgreich anzulegen, Vermögen aufzubauen oder die Altersvorsorge zu sichern – all das erfordert weder ein besonderes Talent noch einen akademischen Abschluss. Jeder kann es lernen. Doch wer sich intensiver mit Themen wie ETFs oder Vermögensaufbau beschäftigt, kann schnell der Meinung sein, bereits alles Wichtige zu wissen. Meine steile These: Das ist für die meisten von uns, mich eingeschlossen, schlichtweg falsch.

    In diesem Artikel schauen wir uns deshalb 12 knifflige Finanzfragen für Fortgeschrittene und Profis an. Welche Renditen können Anleihen langfristig abwerfen? Wozu dient die Standardabweichung unserer Rendite? Und was hat es mit der mentalen Buchführung auf sich?

    Teste Dein Finanzwissen selbst und finde heraus, wie sicher Du Dir wirklich bist!

    Warum überschätzen wir oft unser Finanzwissen?

    Beim Lernen und der Aufnahme neuer Informationen gibt es ein bekanntes Sprichwort:

    Je inkompetenter eine Person, desto größer das Selbstbewusstsein.

    Auch, wenn es um unser Finanzwissen geht, ist dieses Sprichwort zu beobachten. Der Verlauf kann folgendermaßen beschrieben werden:

    • Überschätzung: Wenn wir zum ersten Mal viele neue Informationen zu Finanzen aufnehmen, neigen wir dazu, uns zu überschätzen. Unser Selbstvertrauen ist hoch, obwohl unser Wissen noch sehr begrenzt ist.
    • Tal der Verzweiflung: Mit zunehmendem Wissen und Verständnis nimmt das Selbstvertrauen oft ab. An diesem Punkt erkennen wir, dass das Thema Finanzen komplexer ist, als wir ursprünglich dachten.
    • Langsame Verbesserung: Mit steigender Kompetenz entwickelt sich ein realistisches Bild unserer Fähigkeiten. Dies ist ein wichtiger Schritt, bevor wir teure Fehler machen.

    Übrigens wird dieser Verlauf häufig fälschlicherweise mit dem „Dunning-Kruger-Effekt“ beschreiben. Auch wenn der die anfängliche Überschätzung und der darauffolgende Abfall des Selbstvertrauens – oder „Mount Stupid“ – von Dunning und Kruger wissenschaftlich nicht beobachtet werden konnte, ist es für die Praxis ein doch anschauliches Bild und scheint nachvollziehbar.

    Wie sieht es in der breiten Bevölkerung mit dem Finanzwissen aus?

    Neigen wir als Gesellschaft zu übermäßigem Selbstvertrauen, auch im Bereich Finanzen?

    Eine globale Finanzbildungsstudie der OECD von 2023 zeigte, dass Erwachsene in Deutschland im internationalen Vergleich mit 39 OECD Ländern ein überdurchschnittlich hohes Finanzkompetenzniveau haben.

    Doch hinter dieser Aussage verbirgt sich ein Problem: Die getestete Kompetenz basiert oft auf relativ einfachen Fragen. Dies könnte bei vielen zu einem überzogenen Selbstvertrauen führen.

    Auch wenn einfache Tests positive Ergebnisse liefern, bleibt die Realität beim Thema Vermögensaufbau und Altersvorsorge komplexer. Es gibt immer noch mehr zu lernen – und die Komplexität der Finanzwelt sollte nicht unterschätzt werden.

    Was ist Finanzwissen für Fortgeschrittene?

    Welche Themen solltest Du beim Thema Geldanlage, Vermögensaufbau und Altersvorsorge noch kennen, die sich tendenziell eher an Fortgeschrittene richten?

    Ich habe dazu 12 Fragen für Fortgeschrittene und die, die es werden wollen, zusammengestellt (hier findet ihr noch mehr Quizze und die Inspirationsquelle).

    Frage 1: Staatsanleihen und langfristige Rendite

    Wer im Jahr 1970 damals 1.000 USD in eine bis zum Jahr 2024 reichende Serie an US-Staatsanleihen investiert hätte, wie viel Geld hätten wir dann ungefähr Anfang 2024?

    A: 300 USD

    B: 3.000 USD

    C: 30.000 USD

    D: 300.000 USD

    Lösung
    Richtige Antwort C: ungefähr 30.000 USD – wobei hier keine Inflation berücksichtigt wurde. Quelle: ODAD (2024).

    Frage 2: Staatsanleihen und Inflation

    Selbe Situation und Investment, aber mit Berücksichtigung von Inflation: Wer im Jahr 1970 damals 1.000 USD in eine bis zum Jahr 2024 reichende Serie an US-Staatsanleihen investiert hätte, wie viel wären die 1.000 USD nach Berücksichtigung von Inflation Anfang 2024 wert?

    A: 240 USD

    B: 780 USD

    C: 1.600 USD

    D: 3.900 USD

    Lösung
    Richtige Antwort D: ungefähr 3.900 USD – nicht mehr ganz so viel. Quelle: ODAD (2024).

    Jedoch war das Ausfallrisiko von US-Staatsanleihen historisch betrachtet relativ gering.

    Frage 3: Aktienindex und langfristige Rendite

    Wer im Jahr 1970 damals 1.000 USD in einen US-Aktienmarkt-Index mit den 500 größten Unternehmen investiert hätte, wie viel wären im Jahr 2024 ungefähr im Depot? Annahme: Alle Dividenden wurden reinvestiert.

    A: 89.000 USD

    B: 192.000 USD

    C: 375.000 USD

    D: 1.100.000 USD

    Lösung
    Richtige Antwort B: rund 192.000 USD – wobei hier keine Inflation berücksichtigt wurde.

    Mit Berücksichtigung von Inflation würden aber immer noch fast 25.000 USD an Kaufkraft übrig bleiben. Quelle: ODAD (2024).

    Frage 4: Langfristiges Depotvermögen und jährliche Rendite

    Welche jährlichen Rendite würde diese Wertsteigerung der Einmalanlage von 1.000 USD auf rund 192.000 USD im Zeitraum von über 50 Jahren (ungefähr) entsprechen?

    A: 4 %

    B: 7 %

    C: 10 %

    D: 12 %

    Lösung
    Richtige Antwort C: rund 10 % pro Jahr.

    Inflationsbereinigt wären es übrigens etwas mehr als 6,2 % jährliche Rendite. Quelle: ODAD (2024).

    Dieser Vermögensanstieg ist für die meisten von uns wohl nur schwer vorstellbar.

    Frage 5: Risiken an der Börse

    Klingt schön und gut, aber wie die meisten wahrscheinlich wissen, birgt der Aktienmarkt auch Risiken. Was versteht man unter dem Risikobegriff „Volatilität“?

    A: Jährliche größte Differenz zwischen Höchst- und Tiefkurs

    B: Standardabweichung der Renditen

    C: Maximalen Verlust in der Vergangenheit

    D: Durchschnittliche Schwankung des Aktienkurses pro Monat

    Lösung
    Richtige Antwort B: Standardabweichung der Renditen. Die Standardabweichung zeigt uns, inwieweit die Renditen im Mittel von ihrem Durchschnittswert abweichen. Eine Aktie mit breiter Streuung, also mit teilweise sehr hohen und teilweise sehr niedrigen Renditen, wird riskanter bewertet, als Aktien mit relativ konstanten Renditen.

    Frage 6: Gefühl für Volatilität

    Jetzt noch zur Einordnung von Volatilität: Wie hoch war die Volatilität jährlicher Renditen des US-Aktienmarkts von 1970 bis 2024? 

    A: 5 % pro Jahr

    B: 10 % pro Jahr

    C: 20 % pro Jahr

    D: 40 % pro Jahr

    Lösung
    Richtige Antwort C: 20 % pro Jahr.

    Bedeutet, die Abweichungen sind größer als die durchschnittliche Rendite selbst. Wenn wir zu häufig die Kursbewegungen bei langfristigen Aktienindex-Investments beobachten, kann das schon manchmal für Unsicherheit sorgen. Wer dagegen langfristig dabei geblieben ist, wurde belohnt.

    Frage 7: Gefühl für maximale Verluste

    Ein weiterer Risikobegriff beschreibt den maximalen Verlust eines Investments vom Höchststand bis zum tiefsten Punkt innerhalb einer Periode. Dieser sogenannte „Maximum Drawdown“ zeigt uns, was wir seit dem Zeitpunkt des Hochstandes an Rendite verloren hätten.

    Wie hoch war der Maximum Drawdown des US-Aktienmarktes S&P500 von 1970 bis 2024?

    A: -32 %

    B: -56 %

    C: -69 %

    D: -84 %

    Lösung
    Richtige Antwort B: -56 %.

    Dieser Maximum Drawdown des S&P 500 ereignete sich während der globalen Finanzkrise zwischen September 2007 und März 2009.

    Der MSCI World hat im Zeitraum von 1970 bis 2024 ebenfalls etwas mehr als -50 % verloren.

    Frage 8: Risiko und Rendite Fortgeschritten

    Kombinieren wir Rendite und Risiko. Welcher Begriff beschreibt das Verhältnis der Überrendite (Rendite über dem risikofreien Zins) eines Investments und dem eingegangenen Risiko in Form der Volatilität? ((Rendite des Portfolios)-(Risikofreier Zinssatz)) / Volatilität

    A: Risiko-Rendite-Verhältnis

    B: Verlustquote

    C: Sharpe Ratio

    D: P/E Ratio

    Lösung
    Richtige Antwort C: Sharpe Ratio.

    Angenommen unser Investment erreicht eine Rendite von 7 %, der risikofreie Zins ist 2 % und die Volatilität liegt bei 25 %. Die Sharpe-Ratio dieses Investments entspricht dann 0,2 [(7%-2%) / 25%].

    Sharpe Ratios können folgendermaßen interpretiert werden:

    • Sharpe Ratio > 1: Sehr gut. Die Anlage erwirtschaftet mehr Rendite als Risiko
    • Sharpe Ratio = 1: Ausgewogen. Chancen und Risiken stehen im Gleichgewicht
    • Sharpe Ratio < 1: Unterdurchschnittlich. Das Risiko überwiegt die Rendite
    • Sharpe Ratio < 0: Schlecht. Die Rendite liegt unter dem risikofreien Zinssatz

    Durch Diversifikation lässt sich die Sharpe-Ratio eines Portfolios erhöhen und wir erhalten mehr Rendite pro Einheit an Risiko. Quelle: Fidelity (2024).

    Frage 9: Kognitive Verzerrungen, oder Denkfehler für Fortgeschrittene: Hätte, hätte, …

    Wir lesen folgenden Kommentar: „Ich wusste es doch schon immer, ich hätte damals in Apple und Amazon investieren sollen.“

    Welche kognitive Verzerrung beschreibt diese Aussage wahrscheinlich?

    A: Rückschaufehler

    B: Bestätigungsfehler

    C: Kontrollillusion

    D: Verfügbarkeitsheuristik

    Lösung
    Richtige Antwort A: Rückschaufehler.

    Oder auch „hinterher ist sind wir immer schlauer“. Vielleicht sind der Person damals wirklich diese Aktien aufgefallen. Aber wieviele andere Investmentideen sind über die Jahre erwähnt worden, die nicht so erfolgreich waren? Aber an die erinnern wir uns eben nicht so häufig: unser Gedächtnis ist selektiv.

    Frage 10: Kognitive Verzerrungen: Logische Schlussfolgerungen

    Du hörst in Deinem Umfeld wird diskutiert, dass man doch in ein internationales Traditionsunternehmen aus der Umgebung investieren könnte, da bisher alle von der Produktqualität überzeugt sind.

    Was könnte man an dieser Argumentation kritisieren?

    A: Home-Bias

    B: Mentale Buchführung

    C: Eine schwierige Entscheidung, wird durch eine einfache irrelevante ersetzt.

    D: Verfügbarkeitsheuristik

    Lösung
    Richtige Antwort C.

    Die nicht ganz einfache Entscheidung, ob in ein Unternehmen investiert werden soll hängt von vielen Faktoren ab und sollte nicht durch einen einzigen einfachen Faktor getroffen werden.

    Die Frage, die beantwortet werden möchte: „Soll ich in dieses Unternehmen investieren?“

    Das Umfeld beantwortet stattdessen die Frage: „Stellt dieses Unternehmen gute Produkte her?“

    Antworten auf diese Fragen können theoretisch komplett unabhängig voneinander sein, da es beim Investieren nicht auf Produktqualität, sondern das Rendite-Risikoprofil einer Anlage ankommt. Es kann gute Investments in Unternehmen mit schlechten Produkten genauso geben, wie schlechte Investments in Unternehmen mit guten Produkten.

    Wenn das Umfeld davon überzeugt ist, die gute Produktqualität erhöhe die erwartete Rendite, müsste jedoch auch begründet werden, warum das ein Informationsvorteil gegenüber dem Markt ist. Denn der Preis, den Investoren an der Börse bereit sind zu zahlen, spiegelt die bekannte Information über die gute Qualität bereits wider.

    Frage 11: die Richtige Wahl

    Deine Eltern haben ein teures Finanzprodukt gekauft, das seitdem schlechter performt hat als ein breit gestreuter globaler ETF. Die Eltern weigern sich jedoch, das Produkt zu verkaufen, da sie ja schon „so viel an Gebühren investiert haben“.

    Welchen Denkfehler beschreibt die Begründung der Eltern?

    A: Versunkene Kosten

    B: Rückschaufehler

    C: Ankerheuristik

    D: Bestätigungsfehler

    Lösung
    Richtige Antwort A: Denn die bereits gezahlten Gebühren sind versunkene Kosten.

    Wenn wir für etwas Geld, Zeit oder Arbeit aufgewendet haben, sind wir häufig mental in etwas investiert. Es kann uns dann häufig schwer fallen sich davon zu lösen.

    Das geht dann auf Kosten guter Entscheidungen. Da es bei (wichtigen) Entscheidungen immer darum gehen sollte, die Option auszuwählen, die den zukünftigen Nutzen maximiert. Und nicht die Option, in die wir in der Vergangenheit das meiste investiert hatten.

    Frage 12: Große Anschaffungen finanzieren

    Deine Eltern haben sich ein neues Auto für 60.000 EUR gekauft und finanzieren dies mit einem Zinssatz von 5 %. Gleichzeitig haben die Eltern noch 60.000 EUR auf einem Sparkonto liegen, das mit jährlich 2 % verzinst wird.

    Welches Phänomen führt zu derartigen Entscheidungen?

    A: Prospect Theory

    B: Ankereffekt

    C: Irrationale Nutzenmaximierung

    D: Mentale Buchführung

    Lösung
    Richtige Antwort D: Mentale Buchführung.

    Die Finanzierung des Autos und die Rücklagen auf dem Sparkonto laufen auf zwei separaten mentalen Konten, die jeweils separat optimiert werden.

    Aus rein rationalen und Gründen, wäre es optimaler die 60.000 EUR aus dem Sparkonto für den Autokauf zu verwenden. Da die Zinsen, die wir für die Autofinanzierung der Bank schulden höher sind, als die Zinsen, die wir von der Bank aus unserem Sparguthaben erhalten.

    Wie viele der 12 Fragen konntest Du richtig beantworten?

    Weniger als 5 richtige Antworten:

    Da ist noch Luft nach oben!

    Aber keine Sorge – aus Fehlern können wir lernen. Ein solides fortgeschrittenes Finanzwissen hilft uns, bessere Entscheidungen zu treffen – sowohl an den Finanzmärkten als auch im Alltag. Also nicht entmutigen lassen, sondern dranbleiben!

    5 bis 7 richtige Antworten:

    Solide Leistung!

    Du scheinst kein Neuling an der Börse zu sein und verstehst die Grundlagen von Investments. Hoffentlich konntest Du trotzdem ein paar neue Erkenntnisse gewinnen.

    Es sieht so aus, als hättest Du Dich bereits mit dem Thema Finanzen und Geldanlage, beschäftigt. Wenn nicht, dann hast Du jetzt einen guten Anlass, tiefer einzusteigen.

    Mehr als 8 richtige Antworten:

    Sehr gut!

    Du kennst Dich bestens an den Finanzmärkten aus und hast ein feines Gespür für Rendite und Risiko und auch kognitive Verzerrungen. Das sind hervorragende Voraussetzungen für erfolgreiche Anlageentscheidungen – weiter so!

    Die Fragen sind (noch) zu schwer?

    Sollten diese Fragen Dein derzeitiges Finanzwissen übersteigen, ist das kein Problem! Mache den einfachen Finanztest der OECD (Hier findest Du den Test zum Durchklicken oder hier das dazugehörige Video zum anschauen).


    Anmerkungen & Quellen

    Daten und Informationen, Stand: 08.09.2024

    Titelbild: Priscilla Du Preez 🇨🇦 auf Unsplash

    Fragenauswahl von Behavioral Finance e.V. (2024): Quizzes. https://www.behavioral-finance.de/forschung/quizzes/

    Fidelity (2024): Risiken effektiv abschätzen mit Risikomaßen. Abgerufen am 13.09.2024. https://www.fidelity.de/wissen/tipps-and-strategien/risiko-kennziffern/sharpe-ratio/

    OECD (2023), “OECD/INFE 2023 International Survey of Adult Financial Literacy”, OECD Business and Finance Policy Papers, No. 39, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/56003a32-en.

    ODAD (2024): OfDollarsAndData.com, Nick Maggiulli. US Stock/Bond Historical Return Calculator.

    OECD (2024), “Finanzbildung in Deutschland: Finanzielle Resilienz und finanzielles Wohlergehen verbessern”, No. 43, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/c20b27ac-de.

    Kruger, J., & Dunning, D. (1999). Unskilled and unaware of it: How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. Journal of Personality and Social Psychology, 77(6), 1121–1134. https://doi.org/10.1037/0022-3514.77.6.1121

  • Warum ein langfristiger Anlagehorizont beim Investieren an der Börse so wichtig ist

    Warum ein langfristiger Anlagehorizont beim Investieren an der Börse so wichtig ist

    Die Datenlage scheint eindeutig – Investieren an der Börse ist grundsätzlich riskant, langfristiges Investieren beispielsweise über börsengehandelte Indexfonds (ETFs) jedoch deutlich weniger.

    In diesem Artikel beleuchten wir zwei Perspektiven und Argumente, die für langfristiges Investieren an der Börse sprechen.

    Investieren an der Börse ist riskant

    Prognosen sollen schwierig sein, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. So oder so ähnlich wird häufig zitiert. Vor allem hinsichtlich der Entwicklung von Börsenkursen oder Renditeerwartungen von Investitionen. Auch, wenn Day-Trader oder andere Anleger mit kurzfristigem Anlagehorizont es wahrscheinlich anders sehen.

    Für die meisten von uns fehlt es wahrscheinlich an Zeit, Geduld oder Interesse sich ständig mit Börsenkursen, Quartalsberichten oder anderen Indikatoren für eine mögliche Zukunftsentwicklung auseinander zu setzen.

    Dennoch versuchen viele ihr Glück an der Börse und wollen beispielsweise von den kurzfristig starken Schwankungen profitieren. Laut der Handelsplattform Etoro verlieren rund 80 % der Day-Trader innerhalb eines Jahres Geld. Und das bei einem mittleren Verlust von -36,30 % (Median). Und mehr als 75 % aller Day-Trader sollen innerhalb von zwei Jahren sogar aufgeben[4].

    Rund 80 % der Day-Trader erzielen im Schnitt eine negative Rendite von rund -36 %!

    Langfristiger Anlagehorizont und Diversifikation haben sich bewährt

    Deshalb hat es sich bewährt einen langfristigen Anlagehorizont zu wählen – vor allem als Privatanleger, der nicht entscheiden will ob, welche und wann Aktien ge- oder verkauft werden sollen. Vereinfacht ausgedrückt: Bei einer diversifizierten Anlageklasse zu bleiben und langfristig investiert zu bleiben.

    Vor allem, weil sich dadurch die Verlustwahrscheinlichkeit reduzieren lässt und positive Renditen (also Gewinne) wahrscheinlicher werden.

    Verluste werden unwahrscheinlicher

    Duncan Lamont von Schroders[1] hat in einem vielfach zitierten Artikel am Beispiel des US-amerikanischen S&P 500 Index gezeigt, dass sich mit längerem Anlagehorizont historisch betrachtet die Verlustwahrscheinlichkeit auf nahezu null reduzieren lässt. Dazu wurde der S&P 500 Index von 1871 bis 2020 ausgewertet und die rollierenden Renditen für sieben verschiedene Anlagezeiträume (1 Monat, 3 Monate, 1 Jahr, 3 Jahre, 5 Jahre, 10 und 20 Jahre) analysiert.

    Das Ergebnis scheint eindeutig: Je länger ein Anleger innerhalb des 148 Jahre investiert war, desto unwahrscheinlicher wurde ein Verlust (siehe dazu auch die Abbildung unten). Wer beispielsweise für einen Monat im S&P 500 investiert war, hatte in knapp 40 % der Fälle inflationsbereinigt Verluste zu realisieren. Das bedeutet, in 704 von 1.790 Monaten der Analyse wurde eine negative Rendite erreicht.

    Wer jedoch länger im S&P 500 investiert war, erhöhte die Gewinnwahrscheinlichkeit deutlich bzw. reduzierte die Verlustwahrscheinlichkeit. Im 5-Jahreszeitraum wurde in knapp 20 % der rollierenden Zeiträume ein Verlust realisiert. Wer sogar 20 Jahre investiert war, hätte zwischen Januar 1871 und März 2020 nur in einem 20-Jahreszeitraum Verluste realisiert – und zwar zwischen Juli 1901 und Juni 1921 mit einer realen Rendite von -0,2 % pro Jahr.


    Anteil der Zeit, in der Anleger Geld verloren hätten am Beispiel des S&P 500 Index. (Eigene Darstellung basierend auf [1])

    Wir haben eine ähnliche Analyse für den MSCI World Kursindex durchgeführt und kamen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. Basierend auf monatlichen Tagesendkursen des MSCI World Kursindex[3] vom 31.12.1969 bis 30.07.2021 haben wir 620 Datenpunkte analysiert und acht rollierende Zeiträume (1 Monat, 3 Monate, 6 Monate, 1 Jahr, 3 Jahre, 5 Jahre, 10 und 20 Jahre) festgelegt. Da der MSCI World erst am 31.03.1986 aufgesetzt wurde, basieren die Datenpunkte vorher auf Berechnungen von MSCI[2].

    In der unten aufgeführten Abbildung sind die Ergebnisse der einzelnen rollierenden Zeiträume dargestellt und der Anteil, in denen Anleger negative Renditen ausgesetzt waren.

    Wer beispielsweise einen Monat im MSCI World investiert war, hatte in knapp 40 % der Fälle mit negativen Renditen zu rechnen. Analog zum S&P 500 verringerte sich auch beim MSCI World die Wahrscheinlichkeit Verluste zu realisieren mit längerem Anlagehorizont. Wer beispielsweise 5 Jahre investiert war, hatte nur noch in knapp 18 % der Fälle eine negative Rendite und im 10-Jahreszeitraum waren es sogar nur noch knapp 5 %. Wer sogar 20 Jahre investiert war, hätte in den 380 rollierenden 20-Jahreszeiträumen kein einziges Mal Verluste realisiert (nominal, ohne Berücksichtigung von Inflation).


    Anteil der Zeit, in der Anleger Geld verloren hätten, abhängig vom jeweiligen Anlagehorizont am Beispiel des MSCI World Kursindex (1969-2021).(Eigene Berechnung und Darstellung basierend auf [3])

    Rendite schwankt weniger

    Neben der Wahrscheinlichkeit für Verluste, also wie häufig gab es für einen rollierenden Zeitraum negative Renditen, ist die Analyse der minimalen, maximalen und durchschnittlichen annualisierten Rendite besonders interessant.

    Wir haben die gleichen Kursdaten wie oben zum MSCI World Kursindex verwendet und fünf rollierende Zeiträume festgelegt sowie daraus die annualisierte Renditen berechnet (siehe dazu auch unten aufgeführte Abbildung).

    Fast unabhängig vom Anlagehorizont war die durchschnittliche annualisierte Rendite des MSCI World Kursindex bei knapp 8 %.

    Jedoch analog zu der Wahrscheinlichkeit für Verluste verringert sich mit längerem Anlagehorizont die Rendite-Schwankung. Wer beispielsweise zwischen 1970 und 2021 jeweils 1 Jahr im MSCI World investiert war, hatte im besten Fall ca. 62 % Rendite, aber im schlechtesten Fall ca. -48 %. Bei längerem Anlagehorizont verringert sich die Rendite-Schwankung und nähert sich dem Durchschnittswert von fast 8 % an.

    Bei einem Anlagehorizont von 5 Jahren, war im besten Fall die annualisierte Rendite knapp 30 %, im schlechtesten Fall nur noch knapp 7 %.

    Wer 20 Jahre investiert war, hatte ausschließlich positive Renditen (nominal, annualisiert) – im schlechtesten Fall etwas mehr als 1 % und im besten Fall rund 13 %. Die niedrigste Rendite von 1,3 % gab es im 20-Jahres-Zeitraum vom 31.03.2000 bis 31.03.2020, also, wer zum Kurshoch des Dot-Com-Booms Anfang 2000 eingestiegen ist und zum Corona-Crash März 2020 ausgestiegen ist.

    Da sich die betrachteten Daten und Ergebnisse auf den Kursindex des MSCI World beziehen, sind weder Dividenden noch Steuer oder Inflation berücksichtigt. Bedeutet: Die Ergebnisse sind tendenziell konservativ und schlechter als beispielsweise bei einem thesaurierenden ETF auf den MSCI World Index.


    Maximale, minimale und durchschnittliche jährliche Renditen des MSCI World Kursindex (1969-2021).(Eigene Berechnung und Darstellung basierend auf [3])

    Fazit

    Kurzgefasst: Wer einen langfristigen Anlagehorizont beim Investieren an der Börse verfolgt – vor allem über breit gestreuten ETFs, hatte in der Vergangenheit mit höherer Wahrscheinlichkeit positive Renditen (vor Steuer und ohne Berücksichtigung von Dividenden und Inflation), als bei kurzfristiger Anlagedauer von beispielsweise weniger als 5 Jahre.

    Und auch wenn wir nicht in die Zukunft schauen können und die Vergangenheit bekannterweise kein verlässlicher Indikator für die Zukunft ist: Solange wir in einer gewinnorientierten Marktwirtschaft investieren – und dabei ist es unabhängig, ob es nachhaltige oder nicht-nachhaltige Investitionen betrifft, ist vor allem ein langfristiger Anlagehorizont (neben einem gut diversifizierten Portfolio) entscheidend über positive Renditen – also Gewinne an der Börse.

    Ein langer Atem zahlt sich aus und auch wenn kurzfristig oder innerhalb des eigenen Anlagehorizonts Buchverluste auf dem Depot erscheinen, in der Vergangenheit hat sich eine Anlagedauer von 15 Jahren oder mehr bezahlt gemacht.

    Anmerkungen & Quellen

    Daten und Informationen aktualisiert: 02.08.2021

    Titelbild: Clay LeConey on Unsplash

    [1] Duncan Lamont (Schroders). The data that shows a case for long-term investing (22.04.2020).
    https://www.schroders.com/en/be/professional-investor/insights/markets/the-data-that-shows-a-case-for-long-term-investing/

    [2] Factsheet MSCI World Index (USD) (Stand: 30.06.2021)
    https://www.msci.com/documents/10199/178e6643-6ae6-47b9-82be-e1fc565ededb

    [3] MSCI World Index (Price, USD). End of day index data search. (30.07.2021)
    https://www.msci.com/end-of-day-data-search

    [4] Mark Lyck: Why 80% of Day Traders Lose Money.
    https://marklyck.medium.com/why-80-of-day-traders-lose-money-78d51b10fe25