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    Warum wir Prognosen an der Börse ignorieren sollten

    Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir nicht ständig in unser Portfolio schauen sollten.

    Unter dem Jahr interessiert mich die Performance nicht. Ich kann und möchte sowieso nichts ändern. Aber einmal im Jahr schaue ich mir an, wie alles lief. Was haben die großen Indizes gemacht? Wie war die Performance im Vergleich zu den Vorjahren? Und was berichten die großen Finanzhäuser über das kommende Jahr bzw. was erwarten sie?

    Stimmt meine Annahme bzw. mein vorhandenes Verständnis, dass Prognosen sowieso nichts bringen?

    Rückblick 2023: ETF-Zuflüsse und Indexp​erformance

    Im Jahr 2023 gab es sehr viel Positives, zum Beispiel für ETF-Anbieter.

    Die Entwicklung der Zuflüsse in Aktienfonds und ETFs von Januar bis November war ermutigend. Monatlich gab es mehr Zuflüsse als Abflüsse in Aktien-ETFs, während bei den aktiven Aktienfonds bis auf Januar und Februar durchweg Abflüsse zu verzeichnen waren. Es floss also mehr Geld in ETFs als in aktive Aktienfonds, auch im Jahr 2023. Auch für uns Anleger gab es viel Positives. Wenn wir uns beispielsweise die Performance der großen Indizes anschauen, haben globale Indizes wie der All Country World Index, der FTSE All-World oder der MSCI World fast eine Rendite von 20 % im Jahr 2023 erreicht. Auch der S&P 500 oder der Stoxx Europe 600 waren deutlich überdurchschnittlich.

    Aber wichtig ist zu beachten, dass diese Renditekennzahlen sich nur auf den Index beziehen, nicht den ETF.

    Der ETF kann und wird normalerweise davon abweichen. Zumindest gibt es den Nachbildungsfehler, der sowohl positiv als auch negativ sein kann, und die Kosten, die sich für gewöhnlich negativ auf unsere Rendite auswirkt.

    Für Privatanleger, die im Jahr 2023 investiert waren, lief das Jahr auch überdurchschnittlich gut, besonders im Vergleich zu den Vorjahren.

    Wenn wir uns beispielsweise den Vergleich des MSCI World anschauen, sehen wir deutlich, dass das Jahr 2023 besonders gut war. Die durchschnittliche Rendite des MSCI World Net Return Index lag nur bei 9 %. Wenn wir das letzte Jahr bei fast 20 % waren, waren wir fast 10 % Punkte über dem Durchschnitt. Und wenn wir uns weltweit länderspezifische Renditen anschauen, sah es auch ziemlich gut aus, vor allem in den großen Industrieländern. Aber es gab auch Ausnahmen, negative Ausreißer, beispielsweise in China, Hongkong, Thailand und auch Finnland.

    Vergleich mit den Profis und Prognosen für 2024

    Im Vergleich dazu, wie haben Hedgefonds beispielsweise letztes Jahr abgeschnitten?

    Die Mehrzahl der Hedgefonds hat 2023 nicht die großen Indizes übertroffen. Auch bei den aktiven Fonds sah es 2023 ähnlich aus.

    Zum Vergleich ist es vielleicht ganz schön zu sehen, dass es mit einfachen Produkten möglich ist, gute Renditen zu erreichen.

    Bezüglich der Prognosen für 2024 veröffentlichen Finanzhäuser immer um die Jahreswende ihre sogenannten Marktausblicke, also Vorhersagen und Prognosen über die nächsten 12 Monate. Und diese Prognosen oder Ausblicke werden dann gerne auch von Journalisten und Medienhäusern aufgegriffen und in Artikeln veröffentlicht.

    Und das wiederholt sich jährlich, obwohl doch eigentlich alle wissen, dass Prognosen nicht mehr als ein Schuss ins Blaue sind.

    Oder warum sollten wir diese Prognosen besser vollständig ignorieren oder zumindest vorsichtig sein, wenn solche zitiert werden oder Aussagen darüber getroffen werden?

    Auch wenn es manchmal so verlockend sein kann.

    Die nicht informierten Anleger haben wahrscheinlich eher das Nachsehen, wenn zu viel auf diese Prognosen gegeben wird. Für 2024 haben alle großen Häuser ihre Marktausblicke wieder veröffentlicht.

    Wie so ein Marktausblick aussieht, sehen wir hier am Beispiel von Goldman Sachs. Es werden verschiedene Faktoren prognostiziert, also eine Vielzahl ökonomischer Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt, die Arbeitslosigkeit, die Inflation, aber auch die Rendite von bestimmten Anlageklassen, also von Anleihen, Rohstoffen, Währungsschwankungen. Auch für spezifische Aktienmärkte werden sogenannte Punktprognosen erstellt, quantitative Aussagen über einen Wert in der Zukunft. Also beispielsweise, dass ein bestimmter Index wie der MSCI World zu einem bestimmten Zeitpunkt (bspw. Ende 2024) oder in einem bestimmten Zeitraum (bspw. in 12 Monaten), einen bestimmten Wert erreichen wird.

    Wenn wir uns die Prognosen für das letzte Jahr 2023 anschauen, also eine Art einfaches Backtesting machen. In der Abbildung die Prognosen für 2023 verschiedener Wall-Street-Banken und im Vergleich die tatsächliche Performance 2023 für den S&P 500.

    Ende 2022 stand der S&P 500 bei rund 3900 Punkten und Ende 2023 bei rund 4780 Punkten, also eine Entwicklung von mehr als 20 %. Und jetzt die Prognosen der Wall-Street-Banken zum Vergleich. Keine der gezeigten Banken hat das tatsächliche Level prognostizieren können.

    Das tatsächliche Jahresendlevel lag durchschnittlich 20 % höher als von den Banken prognostiziert wurde.

    Klar, man könnte sagen, 2023 war vielleicht ein Ausreißerjahr, denn 2022 haben die Aktienmärkte fast durchweg größere Verluste hinnehmen müssen.

    Tatsächlich sah es aber auch die Jahre zuvor nicht wirklich besser aus. Wenn wir uns hier noch als Beispiel die S&P 500 Prognosen der Banken vom Jahr 2000 bis 2014 anschauen, also rund 15 Jahre Vergleich Prognose versus tatsächliche Performance zum Ende eines Jahres.

    Wir sehen auf den ersten Blick, dass die Prognosen zumindest durchschnittlich deutlich danebenlagen.

    Und ganz konkret in Zahlen: Durchschnittlich lagen die Bankenprognosen 14 Prozentpunkte daneben über 15 Jahre. Auch wenn wir das Jahr 2008 herausrechnen, was ja gerne als unvorhergesehenes Ereignis gesehen wird, ist das Ergebnis, dass die Banken mit ihren Prognosen noch 12 Prozentpunkte danebenlagen.

    Wie verlässlich sind Prognosen? Fazit und Ausblick

    Die Wissenschaft hat auch schon untersucht, ob Prognosen funktionieren – also wir uns darauf verlassen können oder besser ignorieren sollten.

    Die Kurzversion dessen, was die Autoren herausfanden, lautet: Keine der professionellen Prognosen war genauer als eine einfache Vorhersage aus dem Durchschnitt der Vergangenheit.

    Experten, die sich also beruflich mit Prognosen oder den Finanzen ihres Arbeitgebers beschäftigen, schaffen es nicht, eine einfache und fast schon naive Durchschnittsrendite, die aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert wird, zu schlagen. Warum also sollten wir uns auf Börsenprognosen verlassen?

    Auch für das kommende Jahr bleibt eine Unbekannte an der Börse. Denn aus der jetzigen Perspektive ist es uns völlig unbekannt, wie die Stimmung in 12 Monaten sein wird. Egal, was wir heute messen und als Prognose oder Outlook veröffentlichen, in einem Jahr haben wir es oder können wir es wahrscheinlich wieder vergessen.

    Deshalb haben die Prognoseexperten vielleicht auch so eine schlechte Bilanz, vielleicht auch zurecht.

    Für mich persönlich soll für 2024 alles gleich bleiben – hoffentlich auch noch darüber hinaus: Einfach weiter dauerhaft und regelmäßig in breit diversifizierte und liquide Vermögenswerte investieren, kaufen und liegen lassen. Ganz einfach.

    Und dann schaue ich in 12 Monaten wieder, wie sich die Märkte entwickelt haben und auch, welche Prognosen für das nächste Jahr dann wieder erstellt werden.

    Vielleicht gibt es ja dieses Mal sogar positive Überraschungen.


    Anmerkungen & Quellen


    Daten und Informationen, Stand: 18.01.2024

    Titelbild: Chris Liverani auf Unsplash