Die Bedeutung von Nachhaltigkeit bei der Geldanlage: Eine kritische Analyse.
Ist Nachhaltigkeit bei der Geldanlage mittlerweile out oder haben wir sogar das Ende von ESG erreicht? Die großen amerikanischen Vermögensverwalter haben ihre Haltung zu Nachhaltigkeitsinitiativen in jüngster Zeit verändert. Auch die Einstellung von Anlegern zu ESG Investments scheint nicht mehr ganz so positiv zu sein.
Zuletzt hinterfragen Wissenschaftler immer mehr den Begriff ESG als solches.
Doch wie sieht die Realität aus – was sagen aktuelle Daten darüber, wie beliebt nachhaltige Investments noch sind?
ESG im Wandel: Die sich verändernde Landschaft der nachhaltigen Geldanlage
Vor wenigen Jahren war ESG noch das beherrschende Thema in den Investmenthäusern. Die öffentliche Rhetorik und der Fokus verlagerten sich zunehmend auf Nachhaltigkeit. Quartal für Quartal wurde das Thema in den Quartalsergebnissen der börsennotierten Unternehmen immer häufiger erwähnt.
Im vergangenen Jahr häuften sich jedoch die öffentlichen Kritiken. In den USA herrscht mittlerweile beinahe ein politischer Kulturkampf. Die Anti-ESG-Bewegung von republikanischen Politikern wirft großen Häusern wie Blackrock vor, eine soziale Agenda zu verfolgen und ESG über Rendite zu stellen. In einigen Bundesstaaten wird sogar versucht, den Pensionsfonds die Investitionen nach ESG-Kriterien zu untersagen. Selbst das Wort ESG scheint mittlerweile einen negativen Klang zu haben. Kürzlich berichtete das Wall Street Journal darüber, dass das Wort „ESG“ in der US-Börsen-Berichterstattung eher vermieden wird.
Ein Beispiel verdeutlicht die Entwicklung: Zum Höchststand von 2021 bis 2022 verwendeten mehr als 150 Unternehmen des S&P 500 das Wort ESG in ihren öffentlichen Quartalsergebnissen. Im zweiten Quartal 2023 ist die Anzahl auf nur noch 60 gesunken.
Regionale Unterschiede und Trends: Europa im Vergleich zu den USA
In Europa hingegen zeigt sich weiterhin ein positives Bild. Vergleicht man hier nachhaltige mit konventionellen Fonds, also nicht-ESG-Fonds, wird deutlich, wie viel Geld netto in diese Fonds fließt. Ein positiver Wert bedeutet, dass mehr Geld in die Fonds fließt als abgezogen wird, während ein negativer Wert das Gegenteil darstellt.
Das Resultat im dritten Quartal 2023: Mehr als zwei Drittel der europäischen Zuflüsse stammen aus nachhaltigen Fonds. Seit 2022 hat sich dieses Bild stabilisiert. Nachhaltige Fonds verzeichnen netto im Schnitt mehr Zuflüsse als Abflüsse, während konventionelle Fonds häufig darunter liegen oder sogar netto negativ sind. Es wird mehr Geld abgezogen, als in konventionelle Fonds fließt. Bei einer längeren Betrachtung zeigt sich ein deutlicher Abschwung, insbesondere im Vergleich zum Jahr 2022. Im Vergleich zu damals ist viermal so viel Geld in nachhaltige Fonds geflossen wie heute.
In den USA hingegen gab es seit 2022 einen deutlichen Rückgang bei nachhaltigen Anlagen. Bereits das fünfte Quartal in Folge wurde mehr Geld aus nachhaltigen Fonds abgezogen. Ein möglicher Faktor sind die politischen Gegenreaktionen auf nachhaltige Investments, die sich auch auf die US-Anleger auswirken. Die Zeitachse verdeutlicht, wie stark und plötzlich sich das Anlegerverhalten im Jahr 2022 veränderte. Dies spiegelt sich auch in der Produktentwicklung der Fondshäuser wider, die vermehrt neue Fonds emittieren oder schließen.
Die Perspektive der Anleger: Deutsche Investoren und ihr Blick auf Nachhaltigkeit
In Deutschland hat sich ebenfalls die Stimmung der Anleger hinsichtlich Nachhaltigkeit leicht verändert.
Eine regelmäßige Umfrage zur Nachhaltigkeit bei der Geldanlage zeigt, dass im Jahr 2023 mehr negative Entwicklungen zu verzeichnen waren als in den Vorjahren. Beispielsweise gaben weniger Befragte an, ihr Geld nur noch in Anlagen zu investieren, die ihren Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen.
Es zeigt sich ein Rückgang in der Präferenz für nachhaltige Anlagen, während der Anteil derer, die das Thema Nachhaltigkeit bei der Geldanlage als nicht entscheidend betrachten, gestiegen ist.
Herausforderungen und Chancen für die Zukunft: Die Debatte um das Ende von ESG
Sind dies Vorboten für das Ende von ESG bei der Geldanlage? Alex Edmans, Professor an der LSE, schrieb dazu folgendes:
„Viele der Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit ESG werden irrelevant, wenn wir sie als eine Reihe von langfristigen Faktoren für den Unternehmenswert betrachten. ESG-Ratings stimmen nicht perfekt überein, da es legitim ist, unterschiedliche Ansichten über die Qualität der immateriellen Vermögenswerte eines Unternehmens zu haben.
Wir müssen uns nicht auf erbitterte Auseinandersetzungen zwischen ESG-Befürwortern und -Verweigerern einlassen und das Thema nicht politisieren. Denn vernünftige Menschen können unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie relevant ein Merkmal für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens ist.“
„Denn schließlich wollen wir Anleger großartige Unternehmen, nicht nur Unternehmen, die bei ESG großartig sind.“
Und das trifft es meiner Meinung nach ganz gut.
Abschließende Gedanken: Eine differenzierte Bewertung nachhaltiger Geldanlagen
Schlussendlich bleibt festzuhalten: Wer nachhaltige Geldanlagen oder ESG negativ sehen möchte, findet Bestätigung in aktuellen Zahlen und Daten.
Wer hingegen eine positive Perspektive einnehmen möchte, aber auch.
Anmerkungen & Quellen
Daten und Informationen, Stand: 03.02.2024
Bioy H. (2023). „Nachhaltige Fonds: 3. Quartal 2023 weiterhin positiv in Europa.“ Morningstar.
Buchter H. (2024). „ESG: Schluss mit Nachhaltigkeit.“ Zeit.de
Cutter & Glazer (2024). „The Latest Dirty Word in Corporate America: ESG.“ The Wall Street Journal.
Edmans, A. (2024). „Rational Sustainability.“ Draft Paper. Link
Edmans, A. (2023). „The end of ESG.“ Financial Management, 52(1), 3-17. Link
Malk Partners (2022). „The Anti-ESG Trend: State-Level Pushback Comes for ESG.“
Segal M. (2023). „BlackRock Sued by Tennessee for ‚Deceiving Consumers‘ about ESG Investing.“ ESG Today.
Stankiewicz A. (2024). „U.S. Sustainable Funds Register First Annual Outflows in 2023.“ Morningstar.
FNZ Bank (2023). „Nachhaltige Kapitalanlagen 2023.“ Studie.